Predigt zum Pfingstfest (Joh 20,19-23)

Vom Heiligen Geist gesendet

Am Pfingstfest wurden die Jüngerinnen und Jünger hinausgesandt in die Welt, um die Botschaft Jesu ohne Angst überall zu verkünden. „Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch!“ sagt Jesus, wie wir im Evangelium gehört haben. „Empfangt den Heiligen Geist!“

Seither sind alle Christinnen und Christen mit dieser Sendung beauftragt, jede und jeder, entsprechend seinen Begabungen und Fähigkeiten, die er oder sie vom Heiligen Geist erhalten hat.

Der heilige Franz von Sales tat dies zehn Jahre lang als Priester und zwanzig Jahre lang als Bischof seiner Diözese Genf. Er tat es mit ganzer Kraft und voller Energie. Er besuchte als erster Bischof überhaupt alle seine 600 Pfarrgemeinden, meist mit einem Maulesel, um auch die hochgelegensten Bergdörfer erreichen zu können. Deshalb wurde er von der Bevölkerung auch sehr bald als ihr „Bergsteigerbischof“ bezeichnet. Er selbst schätzte gegen Ende seines Lebens, dass er als Bischof etwa 4.000 Predigten gehalten habe, um den Menschen, von denen sehr viele nicht lesen und schreiben konnten, die Wahrheiten des Glaubens zu verkünden. Als gelernter Jurist schlichtete er so manche Streitigkeiten unter seinen Landsleuten, und er kümmerte sich mit ganzer Leidenschaft um den Aufbau seiner neu gegründeten Ordensgemeinschaft der Schwestern von der Heimsuchung Mariens. Auch in diplomatischer Mission war er unterwegs und kam dabei bis nach Paris. Dort bereitete er nicht nur die Hochzeit zwischen der französischen Königstochter Christine und dem Sohn des Herzog von Savoyen vor, er versöhnte auch den französischen König Ludwig XIII. mit seiner Mutter Maria de Medici. Außerdem traf er in Paris den heiligen Vinzenz von Paul. Beide verstanden sich auf Anhieb, da beide das gleiche Ziel verfolgten: Nächstenliebe und Gottesliebe gehören zusammen, wer Gott liebt, der muss die Menschen lieben, besonders die Benachteiligten, die Armen, die Kranken, die Verfolgten.

Bei all dem machte Franz von Sales nicht den Fehler, der im Laufe der Kirchengeschichte leider sehr oft passierte und immer noch gemacht wird. Franz von Sales verwechselte seine Sendung nicht mit dem Ausbau seiner Macht oder dem Fortschritt seiner Karriere. Als ihm der Kardinal von Paris das Angebot machte, sein Nachfolger als Erzbischof zu werden, lehnte er dankend ab. Er ist mit der armen kleinen Diözese Genf verheiratet, so meinte er, und habe nicht vor, diese mit der reichen und mächtigen Erzdiözese Paris einzutauschen. „Im Heiligen Geist gesendet“ bedeutete für ihn eben etwas ganz anderes als Macht und Karriere. Er wollte, dass die Menschen die Liebe Gottes erkennen und spüren können.

Wenn wir heute, in diesem salesianischen Jubiläumsjahr 2022, dem 450. Geburtstag der heiligen Johanna Franziska von Chantal und den 400. Todestag des heiligen Franz von Sales, das Pfingstfest feiern, dann stellt sich in der Erinnerung an diese beiden Heiligen die Frage an uns: Und ich, was ist meine Sendung hier und heute, mit den Begabungen, die ich als getaufter und gefirmter Christ vom Heiligen Geist erhalten habe? Vom heiligen Franz von Sales kann ich lernen, dass es bei dieser Sendung auf alle Fälle nicht um Macht oder Karriere geht, auch nicht um Reichtum und Ansehen, sondern ganz alleine um die Liebe Gottes, die durch mich in dieser Welt spürbar werden soll. Das wäre der Auftrag, den uns dieser Heilige heute mitgeben würde: Nutze deine Begabungen dazu, die Liebe Gottes hinaus in die Welt zu tragen, denn der Heilige Geist, den Gott uns geschenkt hat, ist – so ein Wort des Franz von Sales – nichts anderes als „das Band der Liebe zwischen Gott Vater und Gott Sohn.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS