Predigt zum Palmsonntag (Mt 21,1-11)

Kreuz: Buch des Christen

„Das Kreuz ist das wahre Buch der Christen“ … so behauptet der heilige Franz von Sales. Was meint er eigentlich damit?

Das Kreuz ist unser Logo, Symbol, Erkennungsmerkmal, Zeichen, Wegweiser, in dem in aller Kürze und auf einfachste Weise zusammengefasst ist, worauf es in unserem Glaube ankommt.

Der Blick auf das Kreuz erklärt uns das, was wir ab heute in den nächsten Tagen feiern werden: das Erlösungswerk Jesu Christi – der Palmsonntag mit seinem überschwänglichen Jubel: Hosianna, Sohn Davids, unser König, wir huldigen dir. Das letzten Abendmahl mit seinen Jüngern, das Testament und Erbe, das uns Jesus hinterlassen hat: der Größte unter euch ist der, der dient … die Quelle und Kraft, aus  der ihr immer leben sollt, ist mein Leib und mein Blut, die Eucharistiefeier, das Opfer, das ich für euch gebracht habe. Sein Gebet am Ölberg im Garten von Getsemani: seine Angst und seine Hingabe an den Willen Gottes: Dein Wille geschehe, nicht der meine. Seine Gefangenschaft, Verurteilung, Geißelung, sein Kreuzweg, seine letzten Worte: Vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun … noch heute wirst du bei mir im Paradies sein … Mein Gott, warum hast du mich verlassen … Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist … Es ist vollbracht. Sein Tod, die Grabesruhe, das fassungslose Schweigen angesichts der Endgültigkeit und Grausamkeit des Todes – und schließlich die unfassbare Freude der Auferstehung: Tod, wo ist dein Sieg, Tod wo ist dein Stachel, das Grab ist leer, der Stein ist weg: Christus hat Sünde und Tod besiegt und uns das Leben neu geschaffen, das Leben in Fülle.

All das lesen wir, wenn wir auf das Kreuz schauen. Das Erlösungswerk Jesu, seinen Sieg über Sünde und Tod. Wir erkennen im Kreuz den Fels, das Fundament unseres Lebens und unseres Glaubens. Es sagt uns: Egal, was auch immer passiert, egal, was das Leben bereit hält, du wirst nicht verloren gehen, wenn du dieses Erlösungswerk Jesu, an das dich das Kreuz erinnert, nicht aus den Augen verlierst.

Das Kreuz ist aber auch noch auf eine andere Weise das wahre Buch des Christen. Es zeigt uns nämlich wie ein Verkehrsschild die Richtung an, in der unser Leben gehen soll. Das Kreuz zeigt nach oben und nach unten, es zeigt nach links und nach rechts. Das bedeutet:

Vergiss in deinem Leben nicht, was oben ist: der allmächtige und barmherzige Gott, der dich erschaffen hat. Vergiss nicht, ihn zu loben und zu preisen, ihm zu danken und ihn in dein Leben hineinzunehmen.

Es bedeutet auch: Vergiss in deinem Leben nicht, was unten ist – dein Fundament, deine Wurzeln. Du bist von Gott erschaffen, ein einzigartiges, von Gott geliebtes Geschöpf Gottes, ausgestattet mit Fähigkeiten, von denen Gott will, dass du sie zum Blühen bringst.

Und schließlich bedeutet es: Vergiss in deinem Leben nicht, was rechts und links und um dich herum ist: deine Familie, deine Nachbarn, Freunde, vor allem nicht die Ausgestoßenen und an den Rand gedrängten, die Armen und die Kranken, sie alle gehören zu den Lieblingen Gottes, in denen er sich sichtbar und spürbar zu erkennen gibt.

Kurz: das Kreuz hat Jesus Christus als Symbol dafür verwendet, um uns darauf aufmerksam zu machen, worauf es ankommt: „Du sollst den Herrn deinen Gott lieben, aus ganzem Herzen, ganzer Seele und ganzer Kraft. Und du sollst den Nächsten lieben wie dich selbst“ – Das ist die Zusammenfassung des ganzen Gesetzes und aller Profeten.

Deshalb ist für Franz von Sales das Kreuz das wahre Buch des Christen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS