Predigt zum Karfreitag

Ein Herz, das liebt

„Das Kreuz ist das wahre Buch der Christen“ (DASal 9,57), sagt Franz von Sales in einer Predigt. In diesem Buch können wir lesen, was Gott für uns Menschen empfindet. Er liebt uns so sehr, dass er sich töten lässt, damit wir leben können. So grausam das Kreuz ist, durch den Tod Jesu erhielt dieses Schandmal und Folterwerkzeug eine symbolische Umdeutung. Es wurde zum Zeichen jener Liebe, die liebt, auch dann, wenn es weh tut.

Franz von Sales, der Lehrer der Liebe, beschreibt dies vor allem im Bild der Herzöffnung des Hauptmannes, der durch seinen Lanzenstich den Tod Jesu feststellt.

„Deshalb“, so sagt er in einer anderen Predigt, „kam der Hauptmann der Soldaten, um zu erfahren, ob er wirklich gestorben sei. Als er sah, dass er tot war, befahl er, ihm einen Lanzenstich in die Seite zu geben. Das geschah, und man stieß ihn genau ins Herz (Joh 19,33 f). Als seine Seite geöffnet war, sah man, dass er wirklich tot war, gestorben an der Krankheit seines Herzens, d. h. an der Liebe seines Herzens. Unser Herr wollte aus mehreren Gründen, dass seine Seite geöffnet wurde. Der erste Grund war, dass man die Gesinnungen seines Herzens sehe; das sind die Gedanken der Liebe und herzlicher Zuneigung (Jer 29,11) für uns, seine vielgeliebten Kinder und Geschöpfe, die er nach seinem Bild und Gleichnis geschaffen hat (Gen 1,26; 5,1). Dadurch sollten wir sehen, wie sehr er danach verlangt, uns seine Gnaden und Segnungen zu schenken, ja sogar sein Herz.“ (DASal 9,245)

Was erkennen wir durch dieses Zeichen der Herzöffnung? Ein Herz, das aus Liebe gestorben ist. Ein Herz, das getragen ist von Gedanken der Liebe und herzlicher Zuneigung. Damit sollen wir erkennen, wie sehr Gott danach verlangt, uns alles zu geben, sogar sein Herz.

Gott gibt alles, sogar sein Herz. Diese Wahrheit möchte uns der Karfreitag in unsere eigenen Herzen einpflanzen. Jesus lässt sich gefangen nehmen, verprügeln, verraten, verleumden, verspotten, quälen, bespucken, auslachen, kreuzigen und töten … und warum? Aus Liebe. Den Emmausjüngern wird Jesus später sagen: Begreift ihr denn nicht, musste nicht all das geschehen, damit offenbar wird, wie Gott wirklich ist? Damit ihr endlich erkennt, dass Gott euch wirklich gern hat und zwar aus ganzem Herzen? Und wie reagieren die Emmausjünger? Sie greifen sich auf den Kopf, nachdem Jesus verschwunden war, und sagten: Ja, wie dumm waren wir! Brannte uns nicht unser Herz, als er uns all das erzählte, und erst jetzt sind uns die Augen aufgegangen.

Franz von Sales überschlägt sich in seinen Worten und Schriften geradezu, um uns diese Wahrheit des Karfreitags immer und immer wieder vor Augen zu führen: Jesus starb am Kreuz, weil er uns liebt. Amen.

Herbert Winklehner OSFS