Predigt zum Fronleichnamsfest (Mk 14,12-16.22-26)

Vom Wunder berührt

Im 16. und 17. Jahrhundert, im Zeitalter der Reformation und Gegenreformation, also zur Zeit des heiligen Franz von Sales war Fronleichnam ein richtig heißes Thema. Es ging um die wirkliche, wesenhafte Gegenwart Jesu in den Gestalten von Brot und Wein und darum, wann und wie genau diese „Realpräsenz“ beginnt und wann sie endet.

Also: Was bedeutet das genau, wenn Jesus, wie wir es soeben aus dem Markusevangelium gehört haben, sagt: „Nehmt dieses gebrochene Brot … das ist mein Leib …“ Und der Wein in diesem Kelch, „das ist mein Blut, das für viele vergossen wird“? Wie ernst ist das zu nehmen? Geht es hier nur um eine Symbolhandlung, oder ist es genau das, was gesagt wird: Brot und Wein wird zum Leib und Blut Jesu Christi?

Wenn man die Aussagen des heiligen Franz von Sales über das Fronleichnamsfest liest, dann spürt man so richtig seine Ergriffenheit, ja Erschütterung über die Erkenntnis: Dieses Brot, das ich da in meinen Händen halte, ist wahrhaft und wirklich der Sohn Gottes.

Einmal schreibt er in einem Brief: „Da ich bei der Fronleichnamsprozession den Heiland trug, hat er mir in seiner Gnade tausend liebevolle Gedanken geschenkt, bei denen ich nur mit Mühe die Tränen zurückhalten konnte“ (DASal 5,188).

Oder noch dramatischer in einem persönlichen Gebet, das er nach einer Fronleichnamsprozession auf einen Zettel schrieb: „Herr, halte die Ströme deiner Gnade zurück! Herr, geh weg von mir, denn ich kann die Größe deiner Wonnen nicht ertragen und bin gezwungen, mich zu Boden zu werfen“ (DASal 12,164).

Angesichts solcher Aussagen stellt sich natürlich die Frage an uns: Wie ist das bei mir, wenn ich die Kommunion empfange, die leibhafte, reale, spürbare und sogar genießbare göttliche Gegenwart? Erlebe ich das überhaupt noch als Wunder? Spüre ich wenigstens ein bisschen was von dem, was Franz von Sales zum Ausdruck brachte?

Das Fronleichnamsfest erinnert uns jedes Jahr daran, dass die Kommunion nicht irgendetwas ist, ein Ritual neben vielen anderen Ritualen, die es im religiösen Leben der Christinnen und Christen gibt. Dieses Fest macht uns aufmerksam, dass es hier um die Quelle und den Höhepunkt unseres Glaubens geht.

Das gemeinsame Brotbrechen war das erste Erkennungszeichen der Christen. Das Brotbrechen unterscheidet uns von allen anderen Religionen. Im Brotbrechen erleben wir Gottes Gegenwart auf die spürbarste und intensivste Weise. In der Kommunion holen wir uns die Kraft, die wir brauchen, um unseren Alltag als Christinnen und Christen in der Welt bestehen zu können.

Gott schenkt sich mir in Brot und Wein, um ganz bei mir und in mir zu sein. Die Konsequenz aus all dem wäre eigentlich Dankbarkeit, Lobpreis und Anbetung.

Lassen wir uns von diesem Wunder, auf das uns das Fronleichnamsfest aufmerksam macht, erneut berühren, vor allem wenn dieses Ritual des Kommunionempfanges allzu sehr zur Routine geworden ist.

Gott ist ein sehr hohes Risiko eingegangen, als er sich für seine Gegenwart unter uns so unspektakuläre Zeichen wie Wein und Brot aussuchte. Da ist nichts Außergewöhnliches und Sensationelles, nur ein kleines Stück Brot, nur ein Schluck Wein. Offenbar vertraut er uns, dass wir mit diesem unscheinbaren Schatz, der uns da geschenkt ist, gut und würdevoll umgehen. Es ist das Wertvollste, das wir haben. Es ist der Leib und das Blut unseres Herrn und Gottes Jesus Christus. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS