Predigt zum Fest Erscheinung des Herrn (Mt 2,1-12)
Huldigung – die erste Pflicht des Betenden
Nicht selten kommen in der Bibel Worte vor, die wir im Alltag eigentlich kaum noch oder gar nicht mehr verwenden – und daher auch gar nicht mehr richtig verstehen. Ein solches Wort kommt im heutigen Evangelium gleich zweimal vor, nämlich das Wort „huldigen“.
Die Sterndeuter aus dem Osten kommen nach Jerusalem und suchen das Kind … um ihm zu „huldigen“. Und etwas später sagt Herodes zu den Sterndeutern: Wenn ihr das Kind gefunden habt, dann kommt zurück, damit auch ich dem Kind „huldigen“ kann.
Was würde ich für Antworten bekommen, wenn ich irgendjemanden auf der Straße frage: „Entschuldigung – was bedeutet eigentlich das Wort Huldigung?“ – Wenn man überhaupt eine Antwort bekommt, dann wahrscheinlich, dass das ein schönes Gedicht ist – weil es sich so schön reimt. Aber auch ich selbst muss eigentlich zugeben, ich wüsste auch nicht sofort, was ich da sagen soll: „Huldigung“ – „huldigen“ – was bedeutet das?
Das Wort stammt jedenfalls aus dem Mittelalter – also aus einer Zeit, in der die Gesellschaft noch streng hierarchisch geordnet war: Kaiser – König – Edelmann – Bürger – Bauer – Bettelmann. Huld war nun das Wohlwollen, die Gunst oder die Gnade des Herrschers gegenüber dem Untergebenen – und Huldigung bedeutet, dass sich der Untergebene unter die Huld, unter das Wohlwollen des Herrschers stellt. Huldigen bedeutet: Ich anerkenne deine Macht und Größe, ich unterwerfe mich dir und verspreche dir die Treue. Dafür erwarte ich von dir dein Wohlwollen, deine Gnade und deinen Schutz. Huldigung war daher auch meistens mit einem Kniefall verbunden – oder zumindest mit einer Verneigung: Ich mache mich klein, damit deine Größe noch mehr zur Geltung kommt. Das Griechische Originalwort für „Huldigung“ heißt daher „Proskynese“ – der Kniefall, die Verneigung, die Geste der Anbetung, Ehrerbietung und Unterwerfung.
Jetzt wird uns vielleicht auch klar, warum wir mit diesem Wort nicht mehr viel anfangen können. Wir unterwerfen uns heutzutage nicht mehr, sondern wir verhandeln auf Augenhöhe, wir gehen nicht mehr auf die Knie, sondern stehen unseren Mann oder unsere Frau. Wir verneigen uns nicht, sondern gehen erhobenen Hauptes unsere Wege.
Der heutige Feiertag – das Fest der Erscheinung des Herrn – könnte uns allerdings trotzdem ein wenig darüber nachdenken lassen, ob es nicht vielleicht doch – wenigstens hin und wieder – angebracht wäre, vor Gott so wie die Sterndeuter aus dem Osten hinzutreten, vor ihm auf die Knie zu fallen, ihm zu huldigen, also seine Größe und Würde anzuerkennen und anzubeten, und ihm die Treue zu versprechen, in der Erwartung seines Wohlwollens, seiner Gunst, seiner Gnade und seines Schutzes.
Der heilige Franz von Sales, der am Ende des Mittelalters und am Beginn der Neuzeit lebte, nennt die „Huldigung“ im Übrigen als „die erste Pflicht des Betenden“. Wer sich Gott nähert, soll ihm als Erstes „Ehre und Huldigung“ erweisen, „die wir [Gott] schulden, und das kann geschehen, ohne dass er zu uns spricht, noch wir zu ihm; denn diese Pflicht erfüllen wir, wenn wir erkennen, dass er unser Gott ist und wir seine armseligen Geschöpfe (Ps 94,7), und wenn wir uns im Geiste vor ihm niederwerfen und seine Befehle erwarten. … diese Absicht, zu Gott zu kommen, nur um [ihm zu huldigen] … ist vorzüglich, ganz heilig und ganz rein und folglich von sehr großer Vollkommenheit.“ (DASal 6,48).
Die Huldigung ist übrigens auch der Grund, warum wir in einer Kirche oder vor dem Tabernakel eine Kniebeuge machen. Wir bezeugen damit ohne Worte, dass Gott der Herr ist und wir seine Geschöpfe. Vielleicht nehmen wir das heutige Fest zum Anlass, unsere Kniebeugen vor Gott wieder ganz bewusst zu machen. Eine solche Kniebeuge kann dann tatsächlich ein Gebet von sehr großer Vollkommenheit sein. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS