Predigt zum Fest Erscheinung des Herrn (Mt 2,1-12)

Hallo, ich bin da!

Manchmal, wenn man fast täglich mit Theologie – also mit der Lehre von Gott – beschäftigt ist, kann es schon sein, dass es plötzlich „Klick“ macht und man etwas Wesentliches begreift … und meist ist dann dieses Wesentliche viel einfacher als man gedacht hat.

Mir ist das bei einer Taufe passiert. Wenn so ein Kind auf die Welt kommt, dann ändert sich für die Eltern, ja die ganze Familie und die weitere Umgebung alles. Auf Schritt und Tritt merkt man: Dieses neugeborene Kind macht sich überall bemerkbar. Es verkündet: „Hallo! Ich bin da!“ Es schreit, es will gefüttert werden, es führt einen eigenen Rhythmus ein. Die Eltern können ihren Tag nicht mehr einfach so gestalten, wie sie es früher machten, sie müssen auf die Anwesenheit des Neugeborenen Rücksicht nehmen. Der gesamte Alltag ist von nun an geprägt von der Anwesenheit und der Gegenwart des Kindes.

Bei einer Taufe nun ist mir plötzlich klar geworden, dass diese Botschaft, die jedes Neugeborene in der Welt verkündet – „Hallo, ich bin da“ – auch die Botschaft Gottes an die Menschen ist. So einfach und verständlich kann also Theologie sein: Gott macht den Menschen deutlich: „Hallo, ich bin da.“

Und das stimmt tatsächlich. Denkt nur an die Geschichte von Mose und dem brennenden Dornbusch am Berg Sinai. Mose begegnet Gott und fragt ihn: „Wer bist du? Wie ist dein Name?“ und Gott antwortet: „Ich bin Jahwe“ – Und das heißt: Ich bin der Ich bin da“.

Und der zweite Gottesname, den wir aus der Bibel kennen, sagt genau das Gleiche aus: „Immanuel“ – das heißt: „Gott ist mit uns.“ Auch mit diesem Namen möchte also Gott den Menschen deutlich machen: „Hallo, ich bin da!“

Die Herausforderung der Lehre von Gott ist also nicht die Gottferne, sondern genau das Gegenteil: die theologische Herausforderung besteht darin, dass Gott da ist, anwesend, mitten unter uns … das verändert nämlich unser Leben ganz gewaltig, genauso wie jedes neugeborene Kind.

Der heilige Franz von Sales empfiehlt daher, sich immer wieder die Gegenwart Gottes bewusst zu machen. In seinem berühmten Buch Philothea schrieb er z.B.: „Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre. Wohin die Vögel auch fliegen, sie finden ihr Element, die Luft, in der sie sich bewegen; so finden auch wir, wohin immer wir gehen mögen, Gott überall gegenwärtig. Jeder kennt diese Wahrheit, aber wie viele gibt es, die sie wirklich erfassen?“ (DASal 1,73)

Unser Lebensrhythmus wird ein anderer, wenn Gott da ist. Wir müssen auf Schritt und Tritt auf ihn Rücksicht nehmen, können unseren Tag nicht mehr so planen, wie wir das wollen, sondern müssen zur Kenntnis nehmen: „Hallo – Gott ist da.“ Ich lebe in seiner Gegenwart.

Auch die heutige Geschichte von den Weisen aus dem Osten macht uns das wunderbar deutlich. Die Ankunft des Messias – sichtbar gemacht durch den Stern – ändert das Leben der Weisen von Grund auf: sie verlassen ihre Heimat und machen sich auf den Weg zu diesem Kind. Ihr Denken und Handeln ist nur noch auf das eine Ziel gerichtet: den neugeborenen Messias zu suchen, zu finden, ihm zu huldigen.

Es ändert auch das Leben des Königs Herodes und seiner Schriftgelehrten schlagartig. Sie können plötzlich nicht mehr so tun, als wäre Gott nicht da … sie müssen reagieren. Sie müssen sich auf die Anwesenheit Gottes unter uns neu einstellen. Für Herodes ist das ein existentielles Problem. Er betrachtet den Messias als Konkurrenten, als Feind, der ihm seine Macht streitig machen will. Er reagiert darauf, in dem er Gott aus der Welt schaffen will. Er ist ihm ein gewaltiger Dorn im Auge. Für die Weisen aber ist die Anwesenheit Gottes das Ziel ihres Lebens, nach dem sie immer schon gesucht haben.

„Hallo, ich bin da!“ – So einfach ist unser Glaube. Die Herausforderung dieser einfachen Botschaft lautet: Ich kann nicht mehr so leben, als wäre Gott nicht da. Ich muss mich auf seine Gegenwart einstellen, muss ihn in mein Leben und meinen Alltag integrieren, muss auf ihn Rücksicht nehmen, mich seiner Gegenwart und seinem Lebensrhythmus anpassen. Ein solches Leben ist eine viel größere Herausforderung als ein Leben ohne Gott, es ist aber auch viel erfüllender. Gott sagt zu mir: „Hallo, ich bin da!“ – und das heißt: Ich brauche dich, um mich in dieser Welt zurecht zu finden, ich will in deiner Nähe sein, hilf mir Leben. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS