Predigt zum Fest Taufe des Herrn (Mk 1,7-11)

In die Tiefe gehen

Der ehemalige Bischof der deutschen Diözese Limburg, Franz Kamphaus, meinte einmal: „Taufe kommt von Tiefe, tief eintauchen in das Wasser. Taufe heißt also, in die Tiefe gehen.“

Wir erleben das im heutigen Evangelium bei der Taufe Jesu. Jesus taucht ein in die Tiefe seines Wesens. Und diese Taufe geschieht noch dazu in der Wüste. Die Wüste ist in der Bibel immer ein Ort mit besonderem Tiefgang, ein Ort der Gottesbegegnung, ein Ort, an dem man den Sinn und die Tiefe des Lebens ganz neu entdeckt. Das war bei Mose der Fall, der in der Wüste Gott als Jahwe erkennt, als „Ich bin da“, bei vielen Profeten, z.B. Elija, der am Berg Horeb Gott im „leisen Säuseln“ begegnet, oder eben auch bei Jesus Christus und Johannes dem Täufer. Johannes entdeckt in der Wüste das Lamm Gottes, das nach ihm kommt und stärker ist. Er, der größte aller Propheten, ist es nicht einmal wert, sich zu bücken und ihm die Riemen der Sandalen zu lösen. Und Jesus Christus widersteht in der Wüste den Versuchungen des Teufels und erlebt, wie bei seiner Taufe der Heilige Geist auf ihn herabkam und eine Stimme ertönt: „Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Wohlgefallen gefunden.“

Die Wüste ist also im biblischen Sinne kein lebensfeindlicher, lebensbedrohlicher Ort, sondern ein Ort, der in die Tiefe des Lebens führt … zur Gotteserkenntnis, zur Erkenntnis dessen, wer man wirklich ist, und welche Aufgabe Gott mir zugedacht hat, was also der Sinn meines Lebens ist. In der Wüste bin ich frei von Ablenkungen und kann mich auf die wesentlichen Dinge des Lebens konzentrieren. Außerdem erfahre ich mich als jemand, dessen Leben mit Gott verbunden ist, der da ist, mich begleitet, mir im sanften Säuseln begegnet, und mich mit Heiligem Geist beschenkt.

Wir durchleben derzeit eine Art Wüste. Die Pandemie sperrt uns ein, lässt so manches, das wir eigentlich gerne machen, nicht zu, weil es die Gefahr mit sich bringt, dass sich das Virus weiterhin ausbreitet. Im Sinne des heutigen Evangeliums können wir diese Wüstenerfahrung dazu nützen, in die Tiefe zu gehen, also das zu tun, was in der Taufe mit uns geschehen ist: tief eintauchen in den Sinn meines Lebens und in Gott, der das Leben ist.

Ich für mich merke, dass ich mich in dieser Zeit des Lockdowns, wo vieles nicht möglich ist, wirklich auf Wesentliches konzentrieren kann. Ich habe zum Beispiel viel mehr Zeit zum Gebet, zur Stille, zum Hören auf das, was Gott mir sagen möchte. Und irgendwie merke ich dabei, dass ich mit Jesus zusammen viel leichter eintauchen kann in die Tiefe des Lebens und des Glaubens. Die Ablenkungen und Störungen sind eben etwas weniger geworden.

So lade ich am heutigen Fest der Taufe des Herrn dazu ein, dass wir uns wirklich Zeit nehmen, uns auf die Tiefendimension unseres Lebens zu konzentrieren, auf Jesus Christus, den Mensch gewordenen Sohn Gottes, auf Gott Vater, unserem Schöpfer, der uns die Zusage erteilt: Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter, du gefällst mir, und auf den Heiligen Geist, die dritte göttliche Person, unser Motor, unsere Energie, unser Lebensatem.

Diesen Rat bzw. diese Einladung gibt uns auch der heilige Franz von Sales in seiner Philothea, der Anleitung zum frommen Leben. Er schreibt:

„Du sollst auch das tatsächliche Alleinsein wirklich lieben, … um ein wenig für dich zu sein: in deinem Zimmer, im Garten oder sonstwo, wo du leichter Einkehr halten und deine Seele durch gute und heilige Gedanken … neu beleben und stärken kannst“ (DASal 1,170).

Bitten wir den Heiligen Geist, dass er uns in dieser geistlichen Einkehr begleitet und stärkt, damit wir mit Jesus Christus in die Tiefe gehen, neu belebt und gestärkt werden. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS