Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,6a.11b-19)

In Seinem Namen

Vor einigen Tagen beerdigte ich eine Frau, die mit ihrem Vornamen gar nicht zufrieden war. Sie wollte nie Klothild heißen, und nannte sich daher auch selbst immer Thilde … und so wollte sie auch bei ihrer Beerdigung genannt werden.

Dieses Beispiel zeigt, dass es ganz und gar nicht egal ist, welchen Namen jemand trägt. Der Name prägt das Leben.

In biblischer Zeit war die Bedeutung des Namens sogar noch größer. Er war das Zeichen der Identität, der Aufgabe und des Wesens der Person, die diesen Namen trägt. Sehr oft kann man allein schon am Namen erkennen, welche Rolle dieser Person in der Heilsgeschichte Gottes mit den Menschen zugedacht ist.

Besonders deutlich wird das beim Namen Gottes selbst. Mose fragt Gott beim brennenden Dornbusch nach dessen Namen. Und Gott gibt ihm daraufhin eine höchst ungewöhnliche Antwort. Ja, eigentlich gibt er ihm eine Antwort, die einer Namensverweigerung gleichkommt. Er sagt nämlich: Ich bin JHWH … das heißt so viel wie: Ich bin der, der ich bin. Bis heute wird herumgerätselt, was dieser Name tatsächlich bedeutet: Ich bin der, der ich sein werde, Ich bin der, der für euch da ist, … Und manche interpretieren diesen Gottesnamen so, dass Gott damit dem Mose eigentlich deutlich macht: Meinen Namen, also mein Wesen, meine Identität verstehst du nicht, ich bin der Unbegreifliche, es muss dir einfach genügen, dass ich der bin, der ich bin und der ich sein werde.

Im Evangelium, das wir heute gehört haben, steht der Name im Mittelpunkt. Jesus sagt: „Vater, ich habe deinen Namen den Menschen offenbart … bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast …“ Was mag das bedeuten? Worauf will Jesus da hinaus?

Für die Jüngerinnen und Jünger damals war die Antwort klar, nämlich: In Jesus zeigt sich das Wesen, die Identität und die Aufgabe Gottes – und sie zeigt sich ganz neu. Durch Jesus erkennen wir, wer Gott wirklich ist.

Ich erinnere an die Verkündigungsszene, in der der Engel Maria erscheint und ihr mitteilt, dass sie einen Sohn gebären wird. Und dieser Sohn trägt auch einen bestimmten Namen, den sich aber nicht Maria für ihn ausgesucht hat, sondern den Gott so bestimmt hat: „Siehe, du wirst einen Sohn gebären … dem sollst du den Namen Jesus geben.“ Und dieser Name „Jesus“ bedeutet nichts anderes als „JHWH rettet“ – „Gott rettet“.

Aus dem unbestimmten, unbegreiflichen Gottesnamen JHWH, den Mose am brennenden Dornbusch erhalten hat, wird der neue Gottesname „Jesus“ … „Ich bin der, der rettet.“ In diesem Abschnitt des Johannesevangeliums erleben wir also, wie Jesus seinen Jüngerinnen und Jüngern klarmacht, dass er Gott ist, der sich durch den Namen, den er von seinem Vater erhalten hat, den Menschen auf neue Weise zeigt, nämlich als Gott, der rettet.

Daher ist am Ende dieser Stelle auch von der Wahrheit die Rede. Durch Jesus kam die Wahrheit Gottes neu in die Welt. Und diese neue Wahrheit in der Welt zu verkünden, wird die Aufgabe der Jüngerinnen und Jünger sein.

Kurz gesagt heißt das: Der unbegreifliche Gott hat sich als Jesus der Welt zu erkennen gegeben, als Gott, der rettet. Und diesen rettenden Gott in der Welt zu verkünden, sind wir in die Welt gesandt. Wer dies tut, der ist in der Wahrheit geheiligt.

Das mag am Ende der Osterzeit wie ganz hohe Theologie klingen, ist aber genau das, was uns Christinnen und Christen eben zu Christen macht: Wir glauben daran, dass Jesus von Nazareth, der Gekreuzigte und Auferstandene, der Sohn Gottes ist, Gott, der die Welt rettet. Oder wie der heilige Franz von Sales formuliert: Gott will „dass keiner zugrunde geht, sondern dass alle zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen und gerettet werden.“ Dafür ist Jesus, der Retter, der Erlöser Mensch geworden, damit wir genau das begreifen und in der Welt verkünden (vgl. DASal 3,213). Daher betet Franz von Sales ganz ähnlich wie Jesus im heutigen Evangelium:

„O glorreicher Name, den der Mund des himmlischen Vaters ewiglich genannt hat, sei immerdar über unserer Seele geschrieben, damit sie so für alle Ewigkeit gerettet werde, da Du doch der Retter bist.“ (DASal 5,235). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS