Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,20-26)

Einheit

Der heilige Franz von Sales hat in der französischen Sprache ein Wort erfunden, das es bis dahin noch nicht gab, und das für das Verständnis des eben gehörten Evangeliums sehr hilfreich sein kann. Dieses Wort lautet „l’unidivers“. Auf Deutsch bedeutet dieses Wort: „Einheit in der Vielfalt“.

Jesus Christus geht es in seinem Gebet, das er an seinen Vater richtet, um die Einheit. Nicht nur für seine Jünger, sondern für die ganze Welt. „Alle sollen eins sein … damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen ist und ich in ihnen bin.“ „Sie sollen vollendet sein in der Einheit, damit die Welt erkennt, dass du mich gesandt hast und sie ebenso geliebt hast, wie du mich geliebt hast.“

Wie wichtig dieses Gebet Jesu um die Einheit ist, erkennen wir, wenn wir uns die Realität anschauen: da herrscht Streit und Uneinigkeit, Chaos und Missgunst, in der kleinen persönlichen Welt genauso wie unter den Nationen der Erde, und natürlich auch in der Kirche und unter den Religionen. Und oft genug wurden und werden die Konflikte gewaltsam ausgetragen, durch Krieg und Terror – und auch das gilt sowohl für die große politische Weltlage wie für die kleine alltägliche persönliche Welt in der Familie, Nachbarschaft oder Pfarrgemeinde.

Der Name „Teufel“ kommt übrigens vom griechischen Wort „Diabolos“ … und dieses Wort heißt wörtlich übersetzt: „der Durcheinanderwerfer“, also „der, der alles durcheinander bringt, der die Einheit zerstört und Chaos erzeugt“. Das Böse, oder der Böse, oder die Bosheit zielt also stets darauf, die Einheit zu zerstören, Konflikte zu schüren und eskalieren zu lassen, damit die kleine persönliche Welt und die große Welt der Länder, Staaten, Nationen, Kirchen und Religionen durcheinandergeworfen und damit zerstört wird. Diese Angriffe gegen die Einheit sind wirklich teuflisch. Wir können sie jeden Tag in den Medien rund um die Uhr verfolgen und damit erkennen, wie wichtig dieses Gebet Jesu an seinen Vater zu allen Zeiten ist.

Der heilige Franz von Sales selbst lebte in einer höchst konfliktträchtigen Zeit. Die Einheit Europas war durcheinandergeworfen und zersplittert, und die Einheit der Kirche durch das Jahrhundert der Reformation ebenso. Am Ende seines Lebens wird der dreißigjährige Krieg ausbrechen, der ganz Europa in Schutt und Asche legte und mehr als der Hälfte der europäischen Bevölkerung das Leben kostete.

Mit dem Wort „l’unidivers“ – „Einheit durch Vielfalt“ wollte Franz von Sales all das verhindern. Er meinte: Einheit bedeutet nicht, dass alle gleich sein müssen. Einheit bedeutet nicht Uniformität. Sondern es geht darum, dass sich jede und jeder auf seine Art, in seiner Vielfalt in ein harmonisches Miteinander einfügt. Zur Erklärung bringt er das Bild der Musik. Das Orchester besteht aus vielen verschiedenen Instrumenten – zusammen erzeugen sie eine Symphonie. Wörtlich schreibt Franz von Sales: „Damit Musik schön sei, müssen die Stimmen nicht nur hell, klar und deutlich erkennbar, sondern sie müssen auch aufeinander abgestimmt sein. So entsteht ein richtiger Zusammenklang, eine reine Harmonie. Diese wird erreicht durch die Einheit in der Verschiedenheit und durch die Verschiedenheit in der Einheit der Stimmen, die man nicht ohne Grund einen vielklingenden Zusammenklang oder vielmehr einen zusammenklingenden Vielklang nennen kann.“ (DASal 3,50).

Davon träumte Franz von Sales, dafür betete Jesus Christus – und ich glaube, dass dieses Gebet und diese Sehnsucht nichts an Aktualität verloren hat. In einer Woche feiern wir das Pfingstfest. Bitten wir den Heiligen Geist, dass er uns dabei hilft, diese Einheit in der Vielfalt in unserem Leben zu verwirklichen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS