Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis (Mk 1,40-45)

Jesu Mitleid ist berührend

die Welt feiert wieder einmal Karneval … „carne vale“, das heißt auf Deutsch: „Fleisch ade“ – Abschied vom Fleisch und anderen Genussmitteln … als Einstimmung auf die österliche Bußzeit, die am Aschermittwoch beginnt.

Im heutigen Evangelium begegnet Jesus einem Aussätzigen … Wir wissen, was Aussatz zur Zeit Jesu bedeutete: Die Diagnose Aussatz war das soziale Todesurteil. Die Ansteckungsgefahr für andere Menschen war einfach zu groß. Die Gesellschaft hatte sich zu schützen, also war dem Aussätzigen jegliche Form des Kontaktes mit anderen Menschen untersagt. Der Aussätzige wurde also nicht nur an den Rand gestellt, sondern buchstäblich ausgesetzt, verstoßen. Der Aussätzige war verpflichtet stets ein Glöckchen mit sich zu tragen und zu läuten, um die Menschen zu warnen, damit sie ihm ja nicht zu nahe kommen, aus dem Weg gehen und sich vor ihm schützen können.

Was unser Aussätziger hier in der Erzählung des Evangeliums macht, war also strengstens verboten. Er tut genau das, was er nicht tun darf: er geht auf Jesus zu, bittet um Hilfe und fällt vor ihm auf die Knie. Und Jesus tut etwas, das er eigentlich auch nicht tun darf: er rennt nämlich nicht davon, um sich vor der Ansteckungsgefahr zu schützen, sondern er hat Mitleid mit dem Aussätzigen – und dieses Mitleid kennt keine Grenzen, dieses Mitleid ist im wahrsten Sinne des Wortes berührend. Einen Aussätzigen berühren, das war das Schlimmste und Gefährlichste, was man tun konnte. Genau davor hatten alle Angst. Berührung war gleichbedeutend mit Ansteckung, Berührung bedeutet: Ich werde selbst zum Aussätzigen. Jesus kümmert das nicht im Geringsten, im Gegenteil: er streckt vielmehr seine Hand aus, er berührt den Aussätzigen und diese Berührung reinigt und heilt.

Wir feiern Karneval … Neben all der Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, die es in diesen Tagen gibt, sollten wir nicht vergessen, woher dieses Faschingstreiben stammt: es war nämlich ursprünglich eine Protestveranstaltung gegen Pest und Tod, gegen alles Aussätzige und Lebensfeindliche und ist somit das große Präludium auf die österliche Bußzeit. Der Karnevalist trägt all seinen Aussatz, Müll und Schmutz, der sich in seinem Leben, in seinem Herzen, in seiner Seele angesammelt hat, vor Gott hin und bittet: Herr, wenn du willst, kannst du machen, dass ich rein werde.

Der heilige Franz von Sales war immer erfreut darüber, wenn die Menschen in der Karnevals- und Faschingszeit genau diesen Aspekt nicht vergessen haben. Freude und Ausgelassenheit ja, aber nicht ohne Gott, denn nur in Verbindung mit ihm ist Leben in Fülle möglich. Vergiss beim Tanzen und Singen nicht, dass du in der Gegenwart Gottes lebst … und vergiss vor allem nicht jene, denen es nicht so gut geht wie dir, die vielleicht gerade jetzt, wo du ausgelassen tanzt, an einer schweren Krankheit leiden, oder nicht wissen, wie sie ihre Familie ernähren sollen. Vergiss bei aller Ausgelassenheit und Freude nicht all jene, die an den Rand gedrängt, ausgestoßen, ausgesetzt sind. Denk auch an sie, denn das ist Karneval – der Protest gegen alles Lebensfeindliche in unserer Welt, und der Hinweis darauf, dass Gott es ist, der uns heilt und reinigt, weil er ein Gott des Lebens ist, der will, dass wir das Leben haben und es in Fülle haben. Lassen wir uns also von Gott berühren, damit er alles Unreine und Lebensfeindliche in uns und um uns verwandelt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS