Predigt zum 1. Fastensonntag (Mk 1,12-15)

Die Mücken, nicht die Bären

Jesus Christus wird am Beginn seines öffentlichen Wirkens in der Wüste vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm. Danach lautet seine erste Botschaft an die Menschen: Die Zeit ist erfüllt. Das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium.

Unser Predigtschwerpunkt in dieser österlichen Bußzeit beschäftigt sich mit dem „Sakrament der Versöhnung und dem Umgang mit Sünde und Schuld“. Dazu gibt es auch ein schönes Zitat des heiligen Franz von Sales aus seinem berühmten Buch „Philothea“, das auch wunderbar zu den wilden Tieren in der Wüste der Versuchungen passt. Es lautet:

„Wölfe und Bären sind gewiss gefährlicher als Mücken, sie plagen, ärgern und reizen uns aber bestimmt nicht so zur Ungeduld. Es ist nicht schwer, sich eines Mordes zu enthalten, wohl aber, alle kleinen Zornausbrüche zu unterdrücken, wozu fast jeden Augenblick Gelegenheit ist. … Mit einem Wort: diese kleinen Versuchungen zu Zorn, Argwohn, Eifersucht, Neid, Liebeleien, Narreteien, Eitelkeit, Doppelzüngigkeit und Geziertheit, unanständigen Gedanken, das sind die ständigen Plagen auch solcher Menschen, die am meisten zum frommen Leben entschlossen sind. … Darum wiederhole ich: Wir sind entschlossen, schwere Versuchungen tapfer zurückzuweisen, wenn sie uns überfallen sollten, inzwischen aber wollen wir uns der kleineren und schwächeren Angriffe sorgfältig erwehren.“ (Philothea IV,8)

Das heißt für den Umgang mit Sünde und Schuld in aller Kürze gesagt: Nicht die Wölfe und Bären sind das wahre Problem, sondern die Mücken. Und ich glaube, genau darin liegt die Ursache dafür, dass wir heutzutage mit dem Sakrament der Versöhnung, also mit der Beichte nichts mehr oder kaum noch etwas anfangen können. Wozu auch: Wir begehen – hoffe ich zumindest – keinen Mord, überfallen keine Bank und tun auch sonst nichts richtig Schlimmes … was brauche ich da schon dieses Sakrament.

Grundsätzlich gilt, jedes Sakrament ist ein Angebot, also ein Geschenk Gottes, von dem er meint, dass es uns und unserem Leben gut tut … niemand ist gezwungen, dieses göttliche Geschenk anzunehmen, wobei uns die Kirche empfiehlt, dass wir uns wenigstens einmal im Jahr auch von diesem Sakrament der Versöhnung beschenken lassen sollten.

Praktisch gesehen ist das wie beim Putzen der Wohnung. Der Staub ist zuerst gar nicht so sichtbar, so dass ich mir denken kann, das zahlt sich doch gar nicht aus … doch irgendwann kann sich so viel Staub angesammelt haben, dass es einer Großaktion bedarf, um wenigstens den ärgsten Dreck wegzubekommen.

Das Zitat des heiligen Franz von Sales macht uns nun klar, dass wir wieder sensibel werden sollten für die kleinen, alltäglichen Fehler, die wir so begehen, und die uns teilweise gar nicht mehr als Sünde oder Verfehlung deutlich werden. Geringschätzige Äußerungen über andere, wenn auch natürlich nur im Spaß gemeint; eine kleine Lüge oder Halbwahrheit, um sich ein bisschen einen Vorteil zu verschaffen oder bei den anderen in ein besseres Licht zu stellen; ein kleiner Zornausbruch; ein bisschen Ungeduld, Eifersucht, Neid usw. Solche Kleinigkeiten können auf die Dauer schon einen großen Mückenschwarm bilden – und es ist gar nicht so einfach, diese lästigen Mücken wegzubekommen. Die Erfahrung zeigt, dass sie nämlich immer wieder kommen. Kaum hab ich gedacht, ich schaffe es, mich nicht mehr geringschätzig über andere zu äußern, schon ist es mir wieder passiert. Oder ich meine, endlich meine Ungeduld im Griff zu haben, schon tritt ein Ereignis ein, wo ich wieder nervös und zappelig werde. Kaum denke ich, dass meine Konzentration beim Beten endlich gut ist, da ist schon wieder eine Zerstreuung da.

Franz von Sales möchte, dass wir sensibel werden für die kleinen Sünden, Fehler und Schwächen des alltäglichen Lebens – sie sind zwar nicht lebensgefährlich wie Bären und Wölfe, aber lästig wie Fliegen und Mücken.

Bei all dem kann das Sakrament der Versöhnung sehr hilfreich sein … Ich erhalte Kraft für einen Neuanfang, so wie es uns Jesus im heutigen Evangelium empfiehlt: Die Zeit ist erfüllt. Kehrt um und glaubt an das Evangelium. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS