Predigt zum 4. Adventsonntag (Lk 1,26-38)

Vertrauen gegen die Angst

Angst ist ein Thema, das die Menschen nicht nur in Zeiten einer Pandemie, sondern eigentlich immer betrifft. Kein Mensch ist vor Angst gefeit, nicht einmal die großen Gestalten der Bibel: Abraham hatte Angst. Mose hatte Angst. David hatte Angst. Die Apostel hatten Angst, ja Jesus selbst wurde von Angst befallen.

Und auch die Gesichter der Angst sind so zahlreich wie die Menschen. Angst vor Krankheit, Leid, Tod, Misserfolg, vor einer Prüfung, vor Unglück, vor Krieg, vor einer ungewissen Zukunft. Angst kann so stark werden, dass der Mensch lebensunfähig wird. „Angst essen Seele auf“ hat einmal eine Fernsehdokumentation über Asylanten in Deutschland geheißen. Die Angst zerstört die Seele, nimmt dem Menschen den Atem.

Gibt es nun auch eine Angst vor Gott? Kann Gott den Menschen Angst einjagen, so sehr, dass der Mensch gelähmt ist? Angst vor der Strafe Gottes? Vor dem Fegefeuer, der Hölle, dem Weltuntergang, dem Jüngsten Gericht? Ich glaube nicht, dass Angst einer der Namen Gottes ist. Im Gegenteil: Wenn uns etwas Angst macht, dann ist das eher ein Zeichen dafür, dass es nichts mit Gott zu tun hat.

Das heutige Evangelium zeigt uns sehr schön, wie Gott mit der Angst eines Menschen umgeht. Maria erschrak, als sie der Engel Gabriel, der Bote Gottes, plötzlich anredete. Doch sofort wehrte der Engel ab: „Fürchte dich nicht Maria, denn du hast bei Gott Gnade gefunden.“ Also: Fürchte dich nicht, du bist von Gott geliebt.

Gottesbegegnung kann also erschrecken, aber sie macht nicht Angst, weil die Grundbotschaft Gottes an den Menschen lautet: „Fürchte dich nicht – Du bist von Gott geliebt!“ Hab vielmehr Vertrauen darauf, dass mit Gott an deiner Seite alles gut wird.

Selbstverständlich kann uns das, was Gott mit den Menschen vorhat, ebenso wieder unsicher und ängstlich machen. Als Maria vom Engel erfährt, welche Aufgabe Gott ihr in den kommenden Jahren zugedacht hat, fragt sie daher auch zurück: „Wie soll das geschehen?“ Die Antwort Gottes ist auch da eindeutig: „Für Gott ist nichts unmöglich.“ Und wieder bedeutet das: Fürchte dich nicht, hab Vertrauen. Mit Gott an deiner Seite kommt alles zum Guten.

Und dann gibt Maria die entscheidende Antwort, die all ihre Ängste und Unsicherheiten vertreibt und sie zur berühmtesten und bedeutendsten Frau der Glaubensgeschichte machte: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“ Oder anders gesagt: Ja, Gott, ich vertraue dir. Dein Wille soll geschehen.

Wir beten diese Antwort bei jedem Vaterunser: Dein Wille geschehe. Es ist jener Teil dieses Gebetes, das Jesus selbst uns gelehrt hat, der unsere Ängste vertreiben und unser Vertrauen auf Gott stärken soll. Genau um dieses Vertrauen bittet, wer „Dein Wille geschehe“ sagt und er besiegt die Angst.

Es ist also nicht die Absicht Gottes, den Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Sein Ziel ist es, den Menschen dazu zu gewinnen, dass sie ihm vertrauen, und zwar gerade dann, wenn sie Angst haben. Der hl. Franz von Sales schrieb immer wieder Briefe an Menschen, die die unterschiedlichsten Sorgen und Ängste hatten, um ihnen Mut zu machen. Und auch für ihn war klar, dass dieser Mut nur aus dem Vertrauen auf Gott erwachsen kann. Einer Frau schreibt er zum Beispiel:

„Vertrauen sie einfach voll und ganz auf Gott. Wenn sie das tun, werden sie überaus erstaunt sein darüber, wie plötzlich all diese Schreckgespenste vor ihren Augen verschwinden, die sie jetzt so beunruhigen.“ (vgl. DASal 6,227) Oder er schreibt:

„Das heilige Vertrauen auf Gott mildert alles, erreicht alles und richtet alles auf.“ (DASal 7,63)

Und er gibt uns einen sehr wertvollen Rat bezüglich unseres Betens: „Halten Sie sich immer an diese Regel, Ihr Gebet niemals anders zu beendigen als mit Vertrauen; denn diese Tugend ist die notwendigste, die man von Gott erbitten soll, und sie ist auch die Tugend, die ihn am meisten ehrt.“ (DASal 7,256)

So beende ich auch diese Predigt mit Vertrauen: Der Wille Gottes, der Mensch geworden ist, möge geschehen. Auf ihn setzte ich mein ganzes Vertrauen, heute und in Ewigkeit. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS