Predigt zum 3. Sonntag im Jahreskreis (Mk 1,14-20)

Die Art und Weise der Jesusnachfolge

wenn man sich nur ein klein Wenig mit Franz von Sales beschäftigt, wird sehr schnell klar, was eines der Hauptthemen seiner Lehre und Spiritualität war: Jeder Mensch, egal ob Mann oder Frau, Kind, Jugendlicher oder Erwachsener, egal, wo er lebt oder arbeitet, jeder Mensch ist von Gott berufen.

„Blühe, wo Gott dich hingepflanzt hat“, heißt ein bekannter und auch gern zitierter Satz des heiligen Bischofs und Kirchenlehrers. Und in seinem berühmtesten Buch – die Philothea – geht es eigentlich nur darum: Wie kann ich den Weg gehen, zu dem Gott mich berufen hat? In dieser Philothea ist zum Beispiel folgender Satz zu lesen:

„Bei der Schöpfung befahl Gott den Pflanzen, Frucht zu tragen, jede nach ihrer Art (Gen 1,11). So gibt er auch den Gläubigen den Auftrag, Früchte der Frömmigkeit zu tragen; jeder nach seiner Art und seinem Beruf. Die Frömmigkeit muss anders geübt werden vom Edelmann, anders vom Handwerker, Knecht oder Fürsten, anders von der Witwe, dem Mädchen, der Verheirateten. Mehr noch: die Übung der Frömmigkeit muss auch noch der Kraft, der Beschäftigung und den Pflichten eines jeden angepasst sein“ (DASal 1,37).

Was uns heute so selbstverständlich klingt, war damals – 1609 – in der Lehre der Kirche etwas Neues, so neu, dass diese Lehre eigentlich erst 350 Jahre später in die offiziellen kirchlichen Dokumente aufgenommen wurde, nämlich im Zweiten Vatikanischen Konzil, das im Dokument „Lumen Gentium“ von der „allgemeinen Berufung jedes Menschen zur Heiligkeit“ spricht.

Ein jeder Mensch ist berufen … Daran erinnert uns auch das heutige Evangelium, wo uns der Evangelist Markus von der Berufung der ersten Jünger erzählt. „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium!“ Und dann wird geschildert, wie Petrus und Andreas, Jakobus und Johannes diesem Ruf Jesu folgen: „Kommt, folgt mir nach, ich werde euch zu Menschenfischern machen.“

Was bei diesen Berufungsgeschichten auffällt, sind zwei Wörter: „sofort“ und „sogleich“. „Sogleich ließen sie ihre Netze liegen und folgten ihm“ – „Sofort rief er sie und sie folgten Jesus nach.“

Dass sich also eine jede und ein jeder von uns von Jesus Christus persönlich angesprochen fühlen darf, ihm zu folgen und das Evangelium zu verkünden, ist also keine Frage mehr. Das gilt und ist anerkannte Lehre der Kirche. Die Frage ist also nicht das DASS, sondern das WIE der Berufung. Wie sieht mein Weg der Nachfolge, meine Art und Weise der Verkündigung des Evangeliums aus? Und bei der Beantwortung dieser Frage ist uns gerade der heilige Franz von Sales eine unschätzbare Hilfe.

„Sogleich“ uns „sofort“ sind zwei Zauberwörter aus dem Evangelium, die uns diese Art und Weise unserer Nachfolge erklären. Also ohne Zögern, ohne Angst, ohne Bedenken. Wir folgen ja nicht irgendeinem Trend oder einer Modeerscheinung, wir folgen Jesus Christus, dem Sohn Gottes, der gekreuzigt wurde und auferstanden ist. Die Zeit ist längst erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Berufung ist heute, hier und jetzt.

Die Zauberworte des heiligen Franz von Sales lauten: „gerne“ und „jeden Tag neu“.

„Wir müssen daran denken“, schreibt Franz von Sales in einem Brief an Johanna Franziska von Chantal, „dass wir jeden Tag mit unserem Fortschritt oder unserer Vervollkommnung [– also mit unserer Berufung, unserem Weg der Jesusnachfolge –] wieder zu beginnen haben. … Man wird niemals fertig damit; man muss immer wieder beginnen und zwar gerne wieder beginnen“ (DASal 5,272).

Darum tut mir persönlich der heilige Franz von Sales und seine Spiritualität so gut. Ich brauch mich nicht zu verbiegen, sondern darf mit meinen Fähigkeiten und Talenten Jesus nachfolgen. Gott verlangt von mir nichts Außergewöhnliches, nichts Besonderes, etwas, das ich nicht kann, nein, er will mich, mein Herz, so wie ich bin, aber er will mich ganz. Von den Fischern Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes verlangt er nicht, dass sie Schriftgelehrte werden, nein, er will, dass sie für ihn Fischer sind – Menschenfischer.

Und ich brauch nicht von heute auf morgen perfekt zu sein, sondern ich darf jeden Tag neu beginnen. Wenn es einmal an einem Tag nicht so geklappt hat, dann lege ich den Tag zurück in Gottes Barmherzigkeit und bitte ihn, er möge das Unvollkommene das ich begonnen habe, vollenden. Am nächsten Tag aber habe ich eine neue Chance, eine neue Möglichkeit, meine Berufung zu leben.

Daher preist Franz von Sales auch jene Menschen selig, „die nach dem Willen Gottes ihren Weg gehen und ihn von ganzem Herzen suchen“ (DASal 5,268). Dazu lädt Franz von Sales uns ein und dazu wollen wir ihn heute um seine Fürsprache bitten. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS