Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit (Lk 24,35-48)
Ihr seid Zeuginnen und Zeugen dafür
Man kann es eigentlich nicht oft genug sagen: das Evangelium ist eine frohe, eine gute Botschaft. Die Evangelisten wollen uns für das Leben Mut und Hoffnung schenken, in dem sie uns vom Leben Jesu, seinem Handeln und seinen Worten berichten und davon Zeugnis geben.
Das gilt vor allem für die Ostererzählungen, in denen beschrieben wird, wie die Jüngerinnen und Jünger dem Auferstandenen begegneten. Die verschiedensten Gefühle kommen dabei zum Ausdruck: Angst und Schrecken, Freude und Hoffnung, Trauer, Fassungslosigkeit, Glück und Jubel.
Damit wird deutlich, was auch das Zweite Vatikanische Konzil als wesentlichen Auftrag der Kirche in der Welt von heute im Dokument „Gaudium et Spes“ zusammenfasste:
„Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände.“
Die Ostererzählung, die wir am heutigen Sonntag hörten, bestätigt das eindrucksvoll. Sie berichtet vom Schrecken der Jüngerinnen und Jünger, von ihrer großen Angst und von ihren Zweifeln. Das erste Wort, das der Auferstandene in dieser Situation an sie richtet, lautet: „Der Friede sei mit euch“.
Mit diesem Gruß ist viel mehr gemeint, als nur Friede, also leben ohne Krieg, Streit und Konflikte. Denn das Wort, das Jesus hier in der hebräischen Originalsprache benützt, lautet „Schalom“ – und das bedeutet viel mehr als „Friede“ – es umfasst das ganze Leben. „Schalom sei mit euch“, das heißt: „Ich wünsche euch Leben in Fülle, in Vollendung“.
Genau darum geht es bei Jesus Christus: er ist gekommen, damit wir das Leben haben, und es in Vollendung haben … genau darum geht es in den Evangelien, und genau darum geht es in der Kirche, so wie es auch der heilige Franz von Sales einmal formulierte: Wir sind „mit Christus auferstanden, um in einem neuen Leben zu wandeln“ (DASal 4,53).
Aufgabe der Kirche ist es, den Menschen zu diesem neuen Leben, dem Leben in Fülle zu verhelfen. Das, was Jesus Christus den Aposteln und allen Jüngerinnen und Jüngern, die sich damals im Abendmahlssaal eingesperrt hatten, sagte, gilt heute immer noch, für die ganze Kirche, für uns: „Schalom sei mit euch, dafür seid ihr Zeugen“. Ihr seid die Zeugen meiner Auferstehung, ihr seid die Zeugen meiner frohen Botschaft, meiner Botschaft des Shalom, des Lebens in Vollendung.
Franz von Sales formuliert das mit folgenden Worten: „Wer immer zu diesem neuen Leben des Heilands auferstanden ist, lebt nicht mehr sich, in sich und für sich, sondern seinem Heiland, in seinem Heiland und für seinen Heiland“ (DASal 4,54).
Es gibt übrigens eine schöne Legende, die davon berichtet, was sich nach dieser Szene im Abendmahlssaal, von der wir heute gehört haben, weiter abspielte. Nachdem Jesus den Abendmahlssaal wieder verlassen hatte, kam er zurück zu seinen Engeln, die ihn damals bei der Auferstehung begleiteten. Diese fragten ihn: „Meister, wie soll es jetzt mit deiner frohen Botschaft vom Reich Gottes und vom Leben in Fülle hier auf Erden weitergehen?“ Darauf antwortete Jesus: „Ich habe soeben meinen Jüngerinnen und Jüngern alles noch einmal genau erklärt und ihnen den Auftrag erteilt, davon in der ganzen Welt Zeugnis zu geben. Die machen das schon.“ Da wurden die Engel etwas skeptisch … Sie dachten an den verschreckten Haufen im Abendmahlssaal, an die Ängste und Zweifel der Jüngerinnen und Jünger, und natürlich auch an deren Fehler und Schwächen. Und so fragten sie: „Herr, hast du wirklich keinen anderen Plan?“ Darauf erwiderte Jesus: „Nein, einen anderen Plan habe ich nicht!“
Dieser Plan existiert jetzt 2000 Jahre … manchmal wurde er gut umgesetzt, manchmal ganz schlecht. Die Botschaft des Auferstandenen konnte aber nie mehr aus der Geschichte verdrängt werden: Der Friede sei mit euch – ich bin gekommen, damit ihr das Leben habt, das Leben in Fülle. Seid Zeuginnen und Zeugen dafür. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS