Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit (Joh 15,1-8)
Gottes-Beziehung
Wie sieht es eigentlich mit meiner Gottesbeziehung aus? Wie geht es mir damit? Das Bild vom Weinstock und den Rebzweigen, das wir so eben gehört haben, versucht uns zu erklären, wie sich Jesus Christus meine Beziehung zu Gott wünscht:
„Wer in mir bleibt und in wem ich bleibe, der bringt reiche Frucht; denn getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen.“
In einer säkularisierten Welt und Gesellschaft ist es gar nicht so einfach, ein so inniges Verhältnis zu Gott zu haben. Früher musste man sich vor den anderen dafür rechtfertigen, wenn man nicht an Gott glaubt. Heute ist es umgekehrt: Wer an Gott glaubt und das auch öffentlich zugibt, gilt nicht selten als Außenseiter, den man halt so leben lässt, wenn es ihm denn gefällt und guttut.
Umso wichtiger ist es, dass ich meine Beziehung zu Gott festige, in dem ich mich wirklich wie die Rebe am Weinstock festmache. Und wie könnte eine solche Festigung meiner Gottesbeziehung aussehen?
Beziehung lebt von Kommunikation – und das gilt auch für die Gottesbeziehung. Das heißt: Kommunikation mit Gott ist wichtig, und Kommunikation mit Gott, das ist das Gebet.
Nun darf sich jede und jeder einmal fragen, wie oft er betet und vor allem wie er betet? Schaffe ich es in meinem Beten, Gott mit „Du“ anzusprechen? Verwende ich beim Beten vorgefertigte Texte oder versuche ich, Gott mit meinen eigenen Worten zu loben, zu preisen, zu danken, und ihm alle meine Anliegen und Sorgen, das, was mich im Herzen bewegt und umtreibt, ganz einfach zu sagen? Wie rede ich Gott an? Lieber Gott, Allmächtiger Gott, Vater – Jesus, mein Herr … All diese Fragen können mir deutlich machen, wie fern oder wie nahe meine Beziehung zu Gott ist, wie eng ich mit dem Weinstock und dem Winzer verbunden bin.
Ein weiteres Kriterium ist die Zeit. Wieviel Zeit habe ich für Gott und das Gebet? Wie oft denke ich an ihn im Laufe des Tages?
Ziel des Betens ist „Beten ohne Unterlass“, also mit Gott ganz eins zu werden und zu sein. Das meint jedenfalls der heilige Franz von Sales. So wie Weinstock und Rebe soll ich mich mit Gott verbinden. Seine Methode ist auch hier die Methode der kleinen Schritte. Beginne mit einer halben Viertelstunde täglich, die du ausschließlich für Gott reservierst. Je öfter du das machst umso länger wird diese Zeitspanne werden, so war Franz von Sales überzeugt. Und vor allem, denke bei jeder Gelegenheit daran, dass du in der Gegenwart Gottes lebst, dass es keinen Ort gibt, wo Gott nicht anwesend ist. Schicke ihm kleine Aufmerksamkeiten, kurze Stoßgebete, die Gott zeigen, dass du an ihn denkst. Solche Stoßgebete stören deine Arbeit nicht, im Gegenteil, sie erhöhen sogar die Qualität deiner Arbeit – denn ohne Gott, so haben wir auch von Jesus Christus gehört, können wir keine Frucht bringen.
Das Wort Kommunikation erinnert uns dann auch an die Kommunion. Um mit Gott ganz verbunden zu sein, so wie Weinstock und Rebe, schenkt sich uns Gott in der Kommunion. Er wird für uns zum Nahrungs- und Heilmittel, damit Gott ganz bei uns, in uns sein kann, um uns zu stärken. Für den heiligen Franz von Sales sind es daher zwei Gruppen, die besonders häufig die Kommunion empfangen sollen: die Vollkommenen, da es unhöflich wäre, die Einladung zum Herrenmahl nicht anzunehmen. Die zweite Gruppe sind die Unvollkommenen, die Schwachen, die Sünder … also praktisch wir alle. Für uns wird die Kommunion zum Heilmittel, zur Medizin, die uns auf unserem Lebens- und Glaubensweg stärkt. Oder mit den Worten des heutigen Evangeliums gesagt:
„Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um alles, was ihr wollt: Ihr werdet es erhalten. Mein Vater wird dadurch verherrlicht, dass ihr reiche Frucht bringt und meine Jüngerinnen und Jünger werdet.“ Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS