Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis (Mk 7,31-37)
Öffne dich
Das heutige Evangelium von der Heilung eines Tauben, der nur stammeln kann, gibt uns die Möglichkeit, uns an unsere eigene Taufe zu erinnern. Bei der Kindertaufe gibt es nämlich den so genannten Effata-Ritus. Und da wird gesagt:
„Wir wollen den Herrn bitten, dass er diesem Kind helfe, seine Botschaft zu hören und zu bekennen.“ Und dann wendet man sich an das Kind, berührt Ohren und Mund und betet: „Der Herr lasse dich heranwachsen, und wie er mit dem Ruf ‚Effata‘ dem Taubstummen die Ohren und den Mund geöffnet hat, öffne er auch dir Ohren und Mund, dass du sein Wort vernimmst und den Glauben bekennst zum Heil der Menschen und zum Lobe Gottes.“
Jede und jeder Getaufte hat also von Gott die Fähigkeit geschenkt bekommen, sein Wort zu hören und seinen Glauben in der Welt zu bekennen – zum Heil der Menschen und zum Lobe Gottes.
Diese Fähigkeit muss allerdings, so wie alles im Leben, auch trainiert werden, damit sie wachsen und sich entfalten kann. Und das ist eine lebenslange Aufgabe. Meine Ohren sind offen, das Wort Gottes aber inmitten so vieler anderer Geräusche auch wahrzunehmen, verlangt Übung. Genauso ist es damit, meinen Glauben ins Wort zu bringen und mit anderen darüber zu sprechen.
Von Sportlerinnen und Sportlern oder Künstlerinnen und Künstlern können wir das immer wieder hören, wie sehr sie jeden Tag üben und trainieren müssen, um ihre Fähigkeiten wachsen zu lassen, weiterzuentwickeln und es irgendwann zur Meisterschaft zu bringen. Wenn sie das Training vernachlässigen, lässt auch ihr Können nach. Mit unserer Gottesbeziehung und unserem Glauben ist es ähnlich. All das muss geübt werden, in dem ich mich eben immer wieder neu mit der Bibel, dem Wort Gottes, das uns geschenkt wurde, beschäftige, in dem ich bete und den Kontakt mit Gott in meinem Leben lebendig halte. Eine gute, und eigentlich recht einfach Methode lehrt uns dabei der heilige Franz von Sales, wenn er uns den Rat gibt, uns so oft wie es nur geht die Gegenwart Gottes in unserem Alltag bewusst zu machen. Gott ist da, so sagt er, „Gott ist ja in allem und überall; es gibt keinen Ort und kein Ding, wo er nicht wirklich gegenwärtig wäre“ (DASal 1,73). Mache dir daher diese Gegenwart so oft wie möglich bewusst. Gott, du bist da, wie die Luft, die ich atme, ich sehe sie zwar nicht, aber ohne Luft könnte ich nicht leben. Am Beginn des Tages kann ich Gott Danke sagen, dass er mir wieder einen neuen Tag geschenkt hat und ihn bitten, er möge mich gut durch diesen Tag begleiten. Am Ende eines Tages könnte ich mir überlegen, wo ich Gott begegnen bin, wo ich ihn hörte, spürte, in den Tätigkeiten und Begegnungen dieses Tages. Ein gutes Zeichen der Gegenwart Gottes ist dabei die Liebe. Überall dort, wo ich Liebe spürte, Herzlichkeit, Freude, wo ich mich einfach wohlgefühlt habe, da war mir Gott ganz besonders nahe, denn Gott ist Liebe. Am Ende des heutigen Evangeliums heißt es über Jesus: „Er hat alles gut gemacht“. Genau in den Momenten, in denen ich dieses Gefühl habe, dass es gut ist, genau da ist Gott in meinem Leben am intensivsten spürbar und gibt mir die Kraft, von ihm und meinen Glaubenserfahrungen zu sprechen.
Lassen wir uns also so oft es geht, so wie der Taube des heutigen Evangelium, von Jesus berühren, damit er unsere Ohren für seine Botschaft offen hält, damit er unseren Mund dazu anleitet, unseren Glauben zu bekennen zum Heil der Menschen und zum Lob Gottes, der alles gut gemacht hat: jeden Tag von neuem und jeden Tag ein bisschen mehr und ein bisschen besser. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS