Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis (Joh 6,51-58)
Fleisch und Blut
Das, was Jesus seinen Zuhörerinnen und Zuhörern und damit eigentlich auch uns sagt, ist eigentlich eine ziemliche Zumutung. Wir sollen sein Fleisch essen und sein Blut trinken.
Das führte in den ersten christlichen Jahrhunderten auch tatsächlich dazu, dass Christinnen und Christen mit dem Vorwurf des Kannibalismus konfrontiert waren: sie feiern Orgien, so wurde behauptet, bei denen sie menschliches Fleisch essen und menschliches Blut trinken.
Um die Äußerungen Jesu in seiner ganzen Tragweite verstehen zu können, muss man ein wenig die Denkweise seiner Zeit in Erinnerung rufen. Damals war man vor allem in der hellenistischen Welt davon überzeugt, dass der Geist, die Seele das Entscheidende des Menschen ist. Der Körper, das Fleisch ist nur das Gefängnis, aus dem sich die Seele befreien muss. Das geschieht normalerweise im Tod, nach dem das Fleisch verwest, die Seele aber endlich frei sein kann. Diese Befreiung kann aber durch eine bestimmte Lebensweise auch schon vorher geschehen, wenn man sich auf seinen Geist oder seine Seele konzentriert und den Leib verachtet.
Dieser Leibfeindlichkeit erteilt Jesus Christus eine klare Absage, was auch der jüdischen Denkweise durchaus entsprach, in der es keine Trennung von Körper, Geist und Seele gab, sondern der Mensch immer als Ganzes betrachtet wurde. Jesus Christus betont das noch intensiver: der Körper, Fleisch und Blut, gehören zum Wesen des Menschen dazu. Jede Leibfeindlichkeit oder Missachtung des Körpers entspricht nicht der Schöpfung Gottes, wo er sagte: Er sah alles an, was er geschaffen hat, und es war sehr gut.
Das gilt noch heute: Alles Geschaffene, Geist und Materie, sind gut und wertvoll. Jesus geht sogar noch einen Schritt weiter, wenn er sich selbst mit diesem Fleisch und Blut identifiziert und sagt: „Ich bin dieses Fleisch und dieses Blut – es ist notwendig für das Leben der Welt.“ Wer dieses Fleisch nicht isst und das Blut nicht trinkt, hat das ewige Leben nicht in sich. Wer es aber isst und trinkt, der bleibt in mir und ich in ihm. Er wird leben in Ewigkeit.“
All diese Gedanken führten natürlich auch dazu, dass wir heute „Eucharistie“ feiern – die Heilige Messe, bei der wir den Leib und das Blut Jesu essen – und damit nicht nur deutlich machen, dass Jesus Christus noch heute leibhaftig unter uns gegenwärtig ist, sondern dass der gesamte Mensch, mit Leib und Seele, eine Einheit bilden, die nicht getrennt werden kann, nicht einmal durch den Tod. Daher beten wir ja auch im Glaubensbekenntnis, dass wir an die Auferstehung des Fleisches glauben – weshalb wir vor einigen Tagen ja auch die „leibliche Aufnahme Marias in den Himmel“ feierten.
All das ist natürlich kaum verstehbar, und schon gar nicht beweisbar. Aber es macht eines deutlich: Unser Glaube ist nicht leibfeindlich, sondern im Gegenteil: nicht nur die Seele, sondern der ganze Mensch gehören zusammen und können nicht getrennt werden.
Der heilige Franz von Sales hat das eigentlich recht gut zusammengefasst, wenn er schreibt: „Der Heiland hat das hochheilige Altarssakrament eingesetzt, das wirklich und wahrhaftig sein Fleisch und Blut birgt, damit ewig lebe, wer davon isst“ (DASal 1,100). Der achtsame Umgang mit seinem Körper, ja mit der ganzen Schöpfung gehört daher wesentlich zur christlichen Botschaft dazu. Und noch etwas: Wir brauchen Gott nicht einfach nur wie ein höheres Wesen, wie eine höhere Idee, wir brauchen ihn wie ein Nahrungsmittel, um zu überleben. Er ist unsere Nahrung, nicht nur für die Seele, sondern auch für unseren ganzen Leib. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS