Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Lk 1,39-56)

Sanfter Tod

Wenn wir heute das Fest Maria Himmelfahrt feiern, dann sollte uns bewusst sein, dass wir mit diesem Fest an das Sterben und den Tod Marias denken. In der Bibel wird über den Tod Marias nichts berichtet. In der Kirche hat sich jedoch schon sehr früh eine Tradition entwickelt, die an den Tod Marias im Kreis der Apostel erinnert.

Der heilige Franz von Sales befasst sich in seiner „Abhandlung über die Gottesliebe“, dem „Theotimus“, in einem eigenen Abschnitt mit dem Sterben und dem Tod Marias. Dieser Abschnitt gab dann auch Jahrhunderte später den Ausschlag dafür, dass Papst Pius XII. das Dogma der leiblichen Aufnahme Marias in den Himmel verkündete.

Franz von Sales schreibt darin, dass der Tod Marias der sanfteste Tod war, den man sich überhaupt vorstellen kann. Und das ist auch nicht verwunderlich, weil nämlich nichts in ihr die Seele blockierte, um vor das Angesicht Gottes zu treten.

Franz von Sales nennt fünf Blockaden, die den Menschen daran hindern können, sich ganz der himmlischen Liebe zu schenken: „1. die Sünde, die uns von Gott entfernt, 2. die Liebe zum Reichtum, 3. die sinnlichen Gelüste, 4. Stolz und Eitelkeit, (und schließlich) 5. die Eigenliebe mit den ungezählten Leidenschaften, die sie hervorbringt und die eine uns niederdrückende, schwere Last sind.“

Franz von Sales zieht den Schluss: „Keines dieser Hindernisse fand sich … im Herzen der glorreichen Jungfrau … Daher war auch der Tod dieser Jungfrau sanfter, als man es sich denken kann. Ihr Sohn zog sie mild durch den Wohlgeruch seiner Düfte (Hld 1,3) an sich und sie verströmte sich ganz liebevoll, diesen heiligen Wohlgerüchen folgend, in den Schoß der Güte ihres Sohnes“ (DASal 4,74).

Das Nachdenken über den Tod Marias gibt uns auch die Möglichkeit, unseren eigenen Tod in den Blick zu nehmen … nicht aus Lebensmüdigkeit, sondern als eine Kunst des wesentlichen Lebens. Wer sein Leben aus der Perspektive des Todes betrachtet, konzentriert sich auf das Wesentliche, auf das, was wirklich bleibende Bedeutung hat.

Das heutige Fest macht uns außerdem deutlich, dass Sterben und Tod nicht das Ende ist, sondern die Vollendung. So wie es Franz von Sales auch einmal formulierte: „Haben Sie keine  Angst vor dem Tod, denn die Liebe Gottes zerstört nicht, sie vollendet!“ (DASal 2,257)

Franz von Sales erkennt dies am Beispiel des Sterbens Marias. Alles, was ihr Leben ausmacht, findet nun seine Vollendung in der Gegenwart der Liebe ihres Sohnes Jesus Christus. Ihr Magnifikat ist nun erfüllt: „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.“ Gott schaut auf die Niedrigkeit seiner Magd und tut Großes an ihr. Er vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten. Er nimmt sich seines Knechtes an und denkt an sein Erbarmen. Maria ist gesegnet, weil sie glaubte, dass sich erfüllt, was der Herr ihr sagen ließ.

Marias Leben war nicht ohne Sorgen und Probleme. Ganz im Gegenteil: Maria hat am eigenen Leib verspürt, was Leid und Schmerz bedeuten, aber sie hielt trotz allem an ihrem Ja zum Willen Gottes fest. Und nun, so sagt das Dogma von ihrer Aufnahme in den Himmel, hat sie ihr Ziel erreicht: die Vollendung in der Herrlichkeit des liebenden Gottes.

Diese Vollendung ist auch uns verheißen. Ein jeder von uns darf darauf hoffen, dass mit seinem Sterben und Tod nicht alles aus ist, sondern sich vollendet und erfüllt, was Gott uns verheißen hat. „Der letzte Feind, der entmachtet ist,“ so haben wir‘s in der Lesung gehört, „ist der Tod.“

Die Bitte um einen guten Tod hat in der Kirche eine Jahrtausendealte Tradition – Am heutigen Fest werden wir wieder daran erinnert. Im „Gegrüßet seist du Maria“ hat sich diese Tradition erhalten und der Menschheit eingeprägt:

„Heilige Maria Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes“. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS