Predigt zum 2. Sonntag der Weihnachtszeit (Joh 1,1-14)

Im Anfang

Diese Stelle des Evangeliums, die wir gerade gehört haben, ist nicht nur sehr berühmt, sie wird in dieser Weihnachtszeit, sogar bereits das zweite Mal verkündet: der Johannesprolog, also der Anfang des Johannes-Evangeliums, ist nämlich auch das Evangelium am 25. Dezember, dem 1. Weihnachtsfeiertag.

Das liegt nicht daran, weil der Kirche zum Weihnachtsfest nichts Neues mehr einfällt. Ganz im Gegenteil: Es soll dadurch deutlich gemacht werden, dass dieser Prolog des Evangelisten Johannes für uns Christen besonderes Gewicht hat. Es ist eine fundamentale Zusammenfassung unseres Glaubens in 14 Versen … jedes einzelne Wort davon hat eine zentrale Bedeutung.

Das beginnt schon mit dem Wort „Im Anfang“. Genauso beginnt nämlich auch das erste Buch der Bibel, die Genesis: „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde“ – „bereshit bara elohim et hashamayim“.

Der Evangelist Johannes beginnt sein Evangelium mit den Worten: „Im Anfang war das Wort“. Im griechischen Original steht dort: „Logos“. Im Anfang war Logos. Damit verknüpft Johannes in seinem ersten Satz den biblischen Glauben des Judentums mit den grundlegenden Erkenntnissen der griechischen Philosophie der Antike. Dort war der „Logos“ – „das Wort“ das Urprinzip allen Seins, allen Denkens, allen Handelns. Dieses Urprinzip, aus dem alles erschaffen wurde, stand nun nicht AM Anfang der Schöpfung, sondern IM Anfang.

Das ist keine Wortklauberei und auch kein Schreibfehler, sondern hat eine wichtige Bedeutung. Damit teilt uns der Verfasser der Genesis und der Evangelist Johannes nämlich mit: Gott ist nicht nur am Anfang der Schöpfung die Ursache für alles Geschaffene, er ist IN seiner Schöpfung als ihr Ursprung und Urprinzip allen Seins immer enthalten. Gott ist in seiner Schöpfung jederzeit gegenwärtig, er ist in uns, mit uns und um uns. Und in Jesus Christus ist Gott Mensch geworden. „Das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt und wir haben seine Herrlichkeit geschaut, die Herrlichkeit des einzigen Sohnes vom Vater, voll Gnade und Wahrheit“.

Ich weiß schon, dass das alles sehr philosophisch und wenig praktisch klingt. Die jüdischen Zuhörer und diejenigen, die von der griechischen Philosophie geprägt waren, haben mit diesen wenigen Sätzen und Worten jedoch sofort eines verstanden:

1. Jesus ist Gott.

2. In Jesus Christus wurde Gott Mensch mit Fleisch und Blut.

Und 3. Wer daran glaubt, der wird von Gott als sein Kind angenommen.

Wir bekennen diesen Glauben übrigens jedes Mal, wenn wir das „Ehre sei dem Vater“ beten. Denn auch dort kommt das Wort „im Anfang“ vor: „Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist, wie im Anfang, so auch jetzt und alle Zeit und in Ewigkeit. Amen.“

Dieses Gebet ist die kürzeste und einfachste Zusammenfassung unseres Glaubens als Christen. Wir ehren den dreifaltigen Gott, im Anfang, jetzt und in Ewigkeit. Damit sagen wir, so erklärt der heilige Franz von Sales dieses Gebet: „Auf immer möge Gott verherrlicht werden mit der Verherrlichung, die er hatte, ehe die Schöpfung geworden ist, in seiner unendlichen Ewigkeit und ewigen Unendlichkeit. Deswegen fügen wir diesen Vers jedem Psalm und jedem Hymnus hinzu … Man sollte damit bekennen, dass alles Lob der Menschen und Engel zu gering ist, um die göttliche Güte auf würdige Weise zu loben.“ (DASal 3,267).

Darum geht es also, wenn wir Weihnachten feiern, wir ehren Gott im Anfang, jetzt und in Ewigkeit. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS