Predigt zum Fest Erscheinung des Herrn (Mt 2,1-12)

Gott sei dein Stern

Der Blick in den Sternenhimmel hat schon etwas Faszinierendes an sich. Er gibt einem ein wenig das Gefühl von Unendlichkeit, ja Ewigkeit. Wenn man sich dann auch noch ein wenig genauer mit dem Weltall beschäftigt, dann wird einem sehr schnell klar, wie unvorstellbar diese Größe ist – unvorstellbar im wahrsten Sinne des Wortes, denn diese Zahlen, die es da gibt, sind eigentlich nicht mehr fassbar.

Vor mehr als vierzig Jahren zum Beispiel wurde zwei Satelliten ins All geschossen. Heute sind sie ungefähr zwanzig Milliarden Kilometer von der Erde entfernt. Erst jetzt verlassen sie endgültig die Grenzen unseres Sonnensystems, von dem man sagt, dass es im Vergleich zu anderen ziemlich klein ist. Und erst in vierzigtausend Jahren werden diese Satelliten, wenn sie dann noch funktionieren, wieder an einem Stern vorbeikommen. Dazwischen ist nichts, Leere … Und trotzdem muss da etwas sein, das erklärt, warum sich die Sterne und Galaxien so verhalten, wie es zu beobachten ist. Die Astronomen reden von „dunkler Materie“, „dunkler Energie“, die deshalb „dunkel“ genannt wird, weil sie nach physikalischer Theorie existieren muss, sich aber praktisch nicht oder noch nicht nachweisen lässt.

Da ich kein Physiker bin und auch kein Astronom, verstehe ich von dem Ganzen auch kaum etwas, allerdings lässt es mich trotzdem Staunen. Und ich kann auch sehr gut nachvollziehen, dass Sterne die Menschen schon immer fasziniert haben – und dass es unter den Menschen schon immer so etwas wie Sterndeuter gab, die aus den Beobachtungen des Sternenhimmels Schlüsse für das Schicksal der Menschen und die Zukunft der Welt zogen.

Die Sterndeuter aus dem Osten, von denen das heutige Evangelium erzählt, sind dafür ein berühmtes Beispiel. Sie beobachten den Sternenhimmel, entdecken einen neuen Stern und deuten ihn als Zeichen für die Geburt eines Königs, der die Geschicke der Welt verändern wird.

Aus heutiger Sicht hatten diese Sterndeuter sogar Recht. Die Geburt Jesu – egal, ob man ihn nun als Sohn Gottes anerkennt oder nicht – hat die Welt tatsächlich fast vollständig verändert.

Wenn wir heute, am Hochfest der Erscheinung des Herrn, noch einmal Weihnachten feiern, dann soll uns genau das in Erinnerung gerufen werden. Da ist vor zweitausend Jahren etwas passiert, das wir uns eigentlich nicht erklären können, wofür wir auch keine Beweise haben, außer dass die Wirkungen dieses Ereignisses noch heute unsere Welt nachhaltig beeinflussen. Das heutige Fest möchte uns daran nicht nur erinnern, es möchte uns auch zum Staunen bringen, zum Staunen über unseren unbegreiflichen Gott, den wir so gerne erklären oder nachweisen wollen, der uns aber immer wieder aus den Händen gleitet, weil uns die Beweise fehlen … gerade so wie diese unsichtbare Materie des Weltalls, die existieren muss, aber nicht bewiesen werden kann.

Der heilige Franz von Sales war trotz seiner großen Klugheit kein Physiker, sondern Theologe – und die Sterne regten ihn an, vor  allem über den Glauben nachzudenken. Und so möchte ich heute davon ein paar Kostproben mitgeben:

Einmal schrieb Franz von Sales den wunderschön poetischen Satz: „Jesus ist allen alles und es gibt keinen Stern auf diesem Himmelsrund, der nicht wie ein Spiegel sein Bild zurückstrahlt“ (DASal 5,249). Ein wunderschönes Bild: ein jeder Stern ist ein Spiegel, der das Bild Jesu zurückstrahlt.

An einer anderen Stelle schreibt er: „Mag unser Lebensschifflein auch treiben, wohin es mag; … so kann es doch nicht daran gehindert werden, … sich nach seinem schönen Stern, unserem Herrn Jesus Christus, auszurichten“ (DASal 5,379). Jesus ist also der Stern, der uns Richtung gibt, eine Richtung, die nicht in die Irre führt. So ähnlich beschreibt es auch das nächste Zitat des heiligen Franz von Sales, ein Wunsch, der sehr gut zum heutigen Fest der Erscheinung des Herrn passt:

„Gott sei der Stern, auf den sich unsere Augen während unserer Lebensreise heften; dann können wir nur gut ankommen.“ (DASal 6,89) Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS