Predigt zum 2. Fastensonntag (Mk 9,2-10)

Die Würde des Menschen

heute entführt uns Jesus Christus auf den hohen Berg der Verklärung. Zusammen mit Petrus, Jakobus und Johannes dürfen auch wir staunen über den strahlend weißen Glanz der Herrlichkeit, die sich um Jesus, Elija und Mose ausbreitet. Ja, es ist gut, dass wir hier sind, es tut wirklich gut, wieder einmal in diesen Glanz einzutauchen, diese Herrlichkeit zu betrachten und die Stimme zu hören, die sagt: „Das ist mein geliebter Sohn; auf ihn sollt ihr hören.“

In dieser österlichen Bußzeit wollen wir allerdings auch ein wenig über das „Sakrament der Versöhnung“ und den „Umgang mit Sünde und Schuld“ nachdenken. Und ich glaube, dazu passt das heutige Evangelium vom Berg der Verklärung sehr gut dazu. Denn dieses beeindruckende Ereignis der Verklärung wirft nämlich ein ganz besonderes Licht auf das Sakrament der Versöhnung und zeigt uns einen Aspekt, der uns vielleicht gar nicht so bewusst ist.

Normalerweise verbinden wir ja mit diesem Sakrament das Bekenntnis unserer Fehler, Schwächen und Sünden und die Buße zur Besserung. Im Zusammenhang mit der Verklärung Jesu wird uns allerdings sehr schön deutlich gemacht, dass es auch bei diesem Sakrament vor allem und zuerst um die Würde des Menschen geht, um seine Einzigartigkeit. Genau deshalb schenkt Gott uns das Sakrament der Versöhnung, damit diese Würde und Einzigartigkeit geschützt bleibt, bzw. wieder hergestellt werden kann.

Die Würde des Menschen ist unantastbar, jeder Mensch besitzt diese Würde auf gleiche Weise. Wir Christen begründen diese allgemein gültige Norm damit, dass jeder Mensch ein Geschöpf Gottes ist, ja mehr noch: Jeder Mensch ist ein Abbild Gottes, erschaffen nach Gottes Bild und Gleichnis. Zu jedem Menschen sagt Gott, was er auch zu Jesus Christus sagt: „Du ist mein geliebter Sohn, Du bist meine geliebte Tochter.“

Der heilige Franz von Sales hat diesen Gedanken der Würde des Menschen in sehr schöne Worte gefasst. Er schreibt einmal: „Erwäge die ewige Liebe, die Gott dir erwiesen hat. Schon ehe unser Herr und Heiland am Kreuz für uns litt, warst du durch Gottes unendliche Güte Gegenstand seiner ewigen Entschlüsse. Gott liebte dich; wann begann er dich zu lieben? Als er begann, Gott zu sein, d. h. da er immer war, ohne Beginn und Ende, hat er dich immer und ewig mit grenzenloser Liebe geliebt“ (DASal 1,257).

Gerade im Sakrament der Versöhnung, gerade im Umgang mit Sünde und Schuld, im Umgang mit unseren Fehlern, Unvollkommenheiten, Unzulänglichkeiten und Schwächen wird uns das besonders deutlich. Weil Gott uns liebt, weil er möchte, dass wir unsere einzigartige Würde erkennen und diese Würde bewahren, schenkt er uns im Sakrament der Versöhnung immer wieder eine neue Chance, neu anzufangen und wieder zu beginnen, so zu leben, dass diese Würde in neuem Glanz erstrahlt.

Jedes Sakrament ist ein Geschenk Gottes an uns, mit dem er uns seine Liebe spürbar machen möchte. Das gilt also auch für das Sakrament der Versöhnung. Dort wird Gottes Liebe spürbar, weil wir in der Beichte all das, was unser Leben ausmacht, das Gelungene genauso wie das Misslungene, vor Gott hinlegen können, und dabei die Erfahrung machen dürfen, dass Gott zu mir sagt: „Du bist mein geliebter Sohn, meine geliebte Tochter“ – „Ich spreche dich los von deinen Sünden“. Ich befreie dich von deiner Schuld, von allem, was deine Würde verletzt oder verschmutzt hat und schenke dir die Kraft für einen Neuanfang. Und diese Chance hast du nicht nur einmal im Leben, sondern immer wieder, denn ich möchte, dass du dein Ziel erreichst, das Leben in Fülle.

Daher kann auch der heilige Franz von Sales ausrufen: „Glücklich jene, die auf das Wort Gottes hören! Gott wird sie niemals in die Irre gehen lassen.“ (Franz von Sales, vgl. DASal 1,138).

Genau das möchte uns auch das Sakrament der Versöhnung vermitteln: Es wird dir auf deinem Lebensweg nicht alles gelingen, aber du darfst dich immer und überall von Gottes heilender und liebender Nähe umgeben wissen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS