Predigt zum 17. Sonntag im Jahreskreis (Lk 11,1-13)

Beten – wie geht das?

Beten – wie geht denn das überhaupt? Diese Frage ist gar nicht so banal, wie sie vielleicht zunächst klingen mag. Wir können sie ja einmal an uns selbst stellen: Bete ich? Und wenn, wie bete ich dann? Was mache ich da genau?

Irgendetwas muss an dieser Frage schon dran sein und auch wichtig sein, denn sie scheint eine Grundfrage an jeden religiösen Lehrer gewesen zu sein. Wer den Anspruch erhebt, ein religiöser Lehrer zu sein, der muss irgendwann seinen Jüngerinnen und Jüngern auch erklären können, wie beten geht.

Jesus wird – wie wir es gerade gehört haben – nicht nur gefragt, wie beten geht, es wird ihm geradezu befohlen: „Herr, lehre uns beten!“ Das hat ja auch Johannes der Täufer getan, also mach es genauso.

Und Jesus tut es mit jenem Gebet, das seither zur Grundlage allen Betens aller Christen zu allen Zeiten und an allen Orten geworden ist: das Vater unser.

Das bedeutet: Wenn wir einmal nicht wissen sollten, wie beten geht, mit dem Vater unser beten wir immer richtig. Und wenn uns die Worte fehlen, wenn wir sprachlos sind, das Vater unser schenkt uns die Worte, die wir selbst nicht haben.

„Das Gebet ist die segensreiche Quelle“, so sagt Franz von Sales, „deren belebende Wasser die Pflänzchen unserer guten Wünsche zum Grünen und Blühen bringen, jeden Makel von unserer Seele hinwegspülen und das von Leidenschaft erhitzte Herz abkühlen“ (DASal 1,71).

Beten hilft also, unsere Pläne in die Tat umzusetzen, unsere Fehler zu bereinigen und unsere Gefühle und Leidenschaften in Zaum zu halten. Was dabei wichtig ist, erklärt uns das Vater unser:

An erster Stelle stehen dabei nicht meine eigenen Interessen, Wünsche und Vorstellungen, an erster Stelle des Gebetes steht Gott: sein Name soll geheiligt werden, sein Reich soll kommen und sein Wille soll geschehen.

Dann erst kommen meine Wünsche: Gib uns das tägliche Brot, vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern, und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns vom Bösen.

Bei unserem alltäglichen Beten steht normalerweise das Bittgebet im Vordergrund, aber auch das ist nicht weiter schlimm. Jesus selbst weiß ganz genau, dass der Mensch, der sich im Gebet an Gott wendet, vor allem seine Wünsche und Bitten vorbringen will. Und daher erzählt er seinen Jüngerinnen und Jüngern auch diese Geschichte vom Freund, der um Mitternacht einen anderen um Brot bittet – und er macht uns deutlich, dass wir Gott immer vertrauen können:

Bittet und es wird euch gegeben, sucht und ihr werdet finden, klopft an und es wird euch aufgetan. Denn wer bittet, der empfängt, wer sucht, der findet, wer anklopft, dem wird geöffnet.

Eines sollte uns allerdings bei unseren Bitten an Gott immer bewusst sein: Gott ist kein Automat, wo ich oben meine Gebete hineinwerfe und unten dann das gewünschte herauskommt. Manchmal kann es nämlich sein, dass das, was ich mir wünsche, wonach ich suche, gar nicht das Beste für mich ist. Zum Gebet gehört eben immer auch das Vertrauen dazu, dass Gott genau weiß, was für mich das Beste ist und dass er mir genau das erfüllen möchte. Daher ist es immer zu empfehlen, dass ich am Ende all meiner Bitten und Gebete Gott mein Vertrauen ausspreche und sage: „Dein Wille geschehe, nicht der meine.“

Also: Beten – wie geht das? Eigentlich ganz einfach: Am Beginn steht der Lobpreis Gottes, dann folgen meine Wünsche und Bitten und am Schluss steht das Vertrauen, dass Gott alles zum Guten führen wird. Das Vaterunser ist also das Grundgebet aller Gebete, an dem wir uns orientieren können, vor allem dann, wenn uns selbst einmal die Worte fehlen. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS