Predigt zum 1. Adventsonntag (Mt 24,37-44)

Wachsamer Glaube

Mag sein, dass unsere Gedanken mittlerweile schon beim Christbaumschmuck, der Weihnachtspost, den Weihnachtsgeschenken, der Planung der Weihnachtsfeiertage angelangt sind.

Mag sein, dass sich der eine oder die andere schon richtig darauf freut und es kaum noch erwarten kann, bis endlich wieder das Fest des Jahres stattfindet.

Mag sein, dass das genaue Gegenteil der Fall ist: Weihnachten – das Fest, vor dem man sich graut, weil es so überladen emotional ist, so überperfektioniert – und damit so überfordernd.

Egal, wie auch immer die Stimmung sein mag, das heutige Evangelium spricht eigentlich eine sehr unweihnachtliche Sprache, und ist vielleicht gerade deshalb ein geeignetes Mittel, uns wirklich gut auf das bevorstehende Fest vorzubereiten. Und genau das soll ja der Advent sein, der mit dem heutigen Sonntag begonnen hat: Advent, die Zeit der Vorbereitung auf das Hochfest der Geburt unseres Herrn Jesus Christus.

Und was empfiehlt uns die Botschaft des heutigen Evangeliums? „Seid wachsam, Ihr wisst nicht, an welchem Tag euer Herr kommt – Haltet euch bereit, denn der Menschensohn kommt zu einer Stunde, in der ihr es nicht erwartet.“

Die Wachsamkeit ist also eine Tugend, und zwar eine, die uns gerade zur Vorbereitung auf das bevorstehende Hochfest empfohlen wird. Wachsamkeit also ist gut und wichtig … aber was bedeutet diese Wachsamkeit genau?

Der heilige Franz von Sales empfiehlt uns die Wachsamkeit vor allem im Zusammenhang mit unserem Glauben. „Der wachsame Glaube ist etwas sehr Großes und Vorzügliches,“ sagte er einmal in einer Predigt, „denn [man] … gelangt … durch die Wachsamkeit zum Gipfel der Vollkommenheit.“ (DASal 9,432-433). Und wie wird unser Glaube zu einem wachsamen Glauben? Indem ich mir immer wieder bewusst mache, dass ich in der Gegenwart des liebenden Gottes lebe. An jedem Ort und in jeder Stunde ist Gottesbegegnung möglich. Es gibt keinen Ort und keine Zeit, in der Gott nicht anwesend wäre. Wenn ich mir das immer wieder klar mache, dass Gott da ist, dass ich in seiner liebenden Gegenwart lebe, dass Gott mein Leben trägt und lebendig hält, wenn ich das jeden Tag und immer wieder trainiere, dann wir aus meinem Glauben ein wachsamer Glaube, also ein Glaube, der weiß, dass Gott immer gegenwärtig ist, in meinem Alltag, in meiner Wohnung, an meinem Arbeitsplatz, und ein Glaube, der damit rechnet, dass Gott mir immer und überall begegnen kann: durch eine Begegnung, durch ein Wort, durch ein Ereignis, eine Erkenntnis, eine Eingebung. Mein Glaube muss nur wachsam sein, um die Zeichen der Gegenwart Gottes in meinem Leben zu erkennen und zu deuten.

Wir Menschen wollen es ja immer am liebsten ganz praktisch und konkret – und so empfiehlt Franz von Sales auch etwas sehr Einfaches und sehr Konkretes, um diese Tugend des wachsamen Glaubens zu erlernen. Er sagt: Beten sie einfach immer wieder einmal ein Vater unser … damit üben sie am besten die Wachsamkeit des Glaubens. Das ist nicht schwer, das ist kurz, und macht ihnen bewusst, dass Gott bei ihnen ist, denn es ist das Gebet, das Jesus uns gelehrt hat.

Das könnte tatsächlich ein guter, einfacher und ganz praktischer Einstieg in den Advent sein: wieder einmal öfter für sich und ganz bewusst das Vater unser beten, damit aus meinem Glaube ein wachsamer Glaube wird.

Advent – das heißt auch neu aufbrechen, neu anfangen, damit unser Glaube nicht einfach so irgendwie dahinplätschert, sondern tatsächlich wachsam ist, wachsam auf Gott und seine Gegenwart in unserem Leben. So können wir mit dem heiligen Franz von Sales bitten: „Herr, lass mich immer wieder beginnen, und zwar gerne wieder beginnen“ (DASal 5,272). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS