Predigt beim Requiem von P. Edmund Kwiasowski (Kol 1, 12-20; Mk 8, 22-26)

Hart im Nehmen

Als P. Edmund in der ersten Stunde des 13. Septembers seine Augen für immer schloss, waren diese schon einige Jahre aufgrund seiner Diabeteserkrankung völlig erblindet. Die wenigen Male, die ich ihm im Haus seiner Schwester Frau Gertrud Scholz in Witten besuchte, erlebte ich P. Edmund im Rollstuhl beim Tisch sitzend zufrieden, freundlich und so, als ob seine erblindeten Augen ihm eigentlich nicht (mehr) störten. Freilich bemühte sich seine Schwester und seine Verwandten, die nebenan wohnten, um alles, was er brauchte, und ich bekam schon mit, dass es für sie nicht einfach war, mehr oder weniger rund um die Uhr für ihn und seine Wünsche da zu sein. Ich glaube, P. Edmund wollte es sich nicht anmerken lassen, dass ihn der Verlust seines Augenlichts doch stark behinderte und einschränkte. Hart im Nehmen war ja ein wesentlicher Zug seines Charakters – sicherlich stark geprägt durch die schrecklichen Erfahrungen, die er während des zweiten Weltkrieges als Soldat machen musste, und am Ende des Krieges dann auch noch durch den Verlust seiner Eltern und einer Schwester, die bei der Bombardierung des Elternhauses auf schreckliche Weise ums Leben gekommen waren. Als ich bei P. Edmund einige Jahre zuvor einmal in Haßfurt im Salesianum auf Besuch war, da war sein Augenlicht schon ziemlich schwach. Er konnte zwar noch selbständig durchs Zimmer gehen, aber genaueres sah er nicht mehr. „Ich sehe etwas, das wie Bäume aussieht und umhergeht.“ Hat es im Evangelium geheißen. So kann ich mir etwa vorstellen, wie es P. Edmund damals mit seinem Sehvermögen gegangen ist. Dennoch hinterließ er damals in mir den Eindruck eines Menschen, um den sich unheimlich viel wie um eine Mitte oder um ein Zentrum bewegte. Nicht nur, dass seine Schwester damals schon immer in seiner Nähe war, mit dem Telefon in der Hand managte er die Geschicke des Salesianums, in dem er als einziger Oblate noch lebte, und er lenkte alles Mögliche von seinem Zimmer aus, das mir wie eine Zentrale vorkam. Das war mein Bild von P. Edmund, das sich in mir eingeprägt hat. Einer, der gerne die Zügel in der Hand hält, gerne schaltet und waltet, ohne dabei die Fassung zu verlieren. Und ich glaube, das war seine Art, geradlinig, ein wenig finster dreinschauend und trotzdem ein Mensch, der auch weinen konnte, wenn seine Schwester über die harte Zeit des Krieges erzählte – kurzum wie man so sagt: eine harte Schale um einen weichen Kern. So erlebten ihn auch die Mitbrüder, besonders die, die mit ihm in Haßfurt, in Eichstätt oder in Ried zusammenlebten. Der „Kwia“ hieß er oder der „Ded“, und jeder wusste, wer damit gemeint war: eine markante Persönlichkeit unserer Ordensprovinz, der konsequente Erzieher, der geradlinige Berufsschullehrer mit mehr als 30 Unterrichtsstunden in der Woche, der Rektor von Hassfurt oder Eichstätt, vor dem man Respekt hatte, wenn man zu ihm kam oder auch der Ökonom, der ein wenig an das Gleichnis vom klugen Verwalter im Lukasevangelium erinnert. Wie er als Priester war, kann ich nicht sagen, ich habe ihn nie am Altar oder im Beichtstuhl erlebt, aber er war weit über Hassfurt hinaus bekannt für seine Gottesdienste und seine Beichtangebote. Der treue Dienst an der Eucharistie muss ihm der größte Wert gewesen sein. Denn mir fiel bei meinem Besuch in Witten auf, dass er das Wohnzimmer des Hauses seiner Schwester zur Hauskapelle machte, der Wohnzimmertisch sein Altar war und sein Kelch den ganzen Tag dort stand, wie mir Frau Scholz, seine Schwester, die ihm ministrieren musste, erzählte.
Die Heilung des Blinden bei Betsaida gibt mir für diesen Auferstehungsgottesdienst von P. Edmund ein paar tröstende und heilvolle Gedanken. Man brachte einen Blinden zu Jesus und bat ihn, er möge ihn berühren. Und Jesus nahm den Blinden bei der Hand und führte ihn vor das Dorf hinaus. Jesus hat unseren Mitbruder und Verwandten nun bei der Hand genommen. Die letzten Wochen und Monate war P. Edmund immer wieder im Krankenhaus und in der Kurzzeitpflege. Sein Lebensrhythmus kam aus dem Lot und er brauchte einen, der ihn fest bei der Hand nahm, vielleicht fester als wir Menschen das imstande sind. Jesus hat ihn bei der Hand genommen und hinausgeführt aus diesem Leben in ein anderes Leben, das von der Ewigkeit geprägt ist. Jesus bestrich die Augen des Blinden mit Speichel, er nahm ihn hinein in die Intimität seines Wesens und er legte ihm die Hände auf, sodass langsam das Augenlicht zu ihm wieder zurückkehrte. Ich denke, man kann darin auch die Läuterung des Menschen sehen, der von der Hand Jesu berührt wird, die Klärung des Blickes für die Wahrnehmung der Wirklichkeit, wie sie wirklich ist. Es heißt: nun sah der Mann deutlich, er war geheilt und konnte alles genau sehen. Sein Blick war deutlich. Ich denke, dass es der Blick sein kann, von dem Paulus spricht, wenn er sagt: Gott hat uns der Macht der Finsternis entrissen und aufgenommen in das Reich seines geliebten Sohnes. Durch ihn haben wir die Erlösung, die Vergebung der Sünden. An diesem Reich haben wir Anteil, weil wir in Jesus einen Bruder bekommen haben, der alles versöhnt, weil Gott mit seiner ganzen Fülle in ihm wohnt. Von ihm geht die Geburt aus dem Tod hervor, Friede und Versöhnung. Das ist es, was wir glauben und was wir auch für unseren P. Edmund von Gott erbitten. Damit dürfen wir uns jetzt trösten und mit Freude Gott danken, denn er hat uns fähig gemacht, teilzunehmen am Leben der Heiligen, die im Licht sind. So dürfen wir mit Franz von Sales daran glauben, dass P. Edmund, der in seinem Leben Gott gesucht hat, ihn im Tod gefunden hat und wir beten, dass er ihn in der Ewigkeit auch besitzen kann. Amen

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Eichstätt, 20.9.2010)