Predigt beim Requiem P. Michael Ditsche (Joh 17, 24-26)
Mit eisernem Willen
Im Evangelium war die Rede von der Herrlichkeit, die gezeigt werden sollte. Passt das zu einem Begräbnis? Im Johannes-Evangelium ist „Herrlichkeit“ ein zentraler Begriff, der besonders im Bericht über das Leiden Jesu vorkommt. Da heißt es bei Joh 12,23: „Jesus aber antwortete ihnen: Die Stunde ist gekommen, dass der Menschensohn verherrlicht wird.“ Oder in Joh 13,31: „Als Judas hinausgegangen war, sagte Jesus: Jetzt ist der Menschensohn verherrlicht, und Gott ist in ihm verherrlicht.“ Leiden und Tod Jesu sind Verherrlichung Jesu! Zusammenfassend sagt Johannes: „Wir haben Herrlichkeit geschaut!“ (Joh 1,14), als Blut und Wasser aus der geöffneten Seite Jesu flossen, also in seinem Tod am Kreuz.
Können wir im Leben unseres Mitbruders P. Michael von Herrlichkeit reden? Er hatte ein schweres Leben. In sehr jungen Jahren bekam er eine schwere Lungenkrankheit, die sein ganzes Leben prägte. „Mit eisernem Willen“ ist er dann seinen Weg gegangen. Er hatte in seinem Leben keine strahlenden Erfolge, er bekam keine ehrenvollen Ernennungen oder Posten, er machte keine Schlagzeilen in der Presse oder im Fernsehen. Aber er ließ sich nicht unterkriegen! Mit eisernem Willen ging er seinen Weg, so, wie er Tag für Tag, bei Wind und Wetter, seine Runden drehte.
In der Bibel hat der Begriff „Herrlichkeit“ eine tiefe Bedeutung. Er meint das Überfließen der Macht Gottes, den Reichtum, die Güte, die Liebe, die Zärtlichkeit Gottes, die in die Geschichte eintreten. Das soll im Kreuz geschehen sein? Das Kreuz ist für uns eher das Zeichen der Schande, der Grausamkeit, der Ungerechtigkeit. Das Kreuz redet nach unserem Empfinden eher vom Schweigen Gottes über der Geschichte, vielleicht auch über der Geschichte meines Lebens? Wir können das Evangelium verstehen als eine Abfolge kleiner Zeichen der großen Herrlichkeit Gottes, die sich endgültig auf Kalvaria offenbart: so sehr hat Gott die Welt geliebt!
Im Blick auf Jesus erahnen wir, was Herrlichkeit letztlich meint. Sie findet ihren Höhepunkt am Kreuz, im Tod Jesu aus Liebe zum Menschen, damit wir das Leben haben und es in Fülle haben. Im Tod überlässt Jesus uns seinen Geist, damit wir das Leben, die Vergebung, den Frieden haben. Seit Kalvaria gibt es keinen Zweifel mehr, dass Gott uns unendlich liebt. So ist das Kreuz das erhabenste Zeichen der zärtlichen Liebe Gottes zu uns.
P. Michael ist in seinem Leben und in seinem Leiden dieser Liebe Gottes begegnet, und so ist er seinen Weg gegangen. In allen Schwierigkeiten hat er Kraft gefunden aus dem Glauben. Im Gebet hat er gerungen um seinen Lebensweg. Er fühlte sich berufen zum vollen Einsatz für Christus und die Kirche, er wollte Priester werden. Eigentlich aber hatte er dafür keine Voraussetzung, weder beruflich noch schulisch. Also hat er sich mit eisernem Willen auf den Weg gemacht. Er war damals schon 34 Jahre alt. Von unserem Spätberufenenheim St. Michael in Holzbüttgen aus besuchte er das Abendgymnasium in Neuss, trat in unsere Ordensgemeinschaft ein, absolvierte an der Theologischen Fakultät in Paderborn seine Studien. Dann war er am Ziel: die Priesterweihe. Aber seine schwache Gesundheit machte einen vollen Einsatz unmöglich. Er tat, was er konnte. Kurze Zeit war er Erzieher in den Internaten Haus Overbach und Schleiden. Dann arbeitete er einige Jahre in der Klosterbibliothek von Haus Overbach. In der Zeit begann er, Aushilfen in den umliegenden Pfarreien zu übernehmen und alte und kranke Menschen in Altenheimen und Krankenhäusern im Jülicher Land zu besuchen. Er feiert mit ihnen die Eucharistie und spendet die Sakramente, und spendet vielen Menschen Trost.
Mit zunehmendem Alter wurde die Kapelle sein bevorzugter Aufenthaltsort. Oft saß er stundenlang dort. Wenn wir ihn in den letzten Monaten seines Lebens suchten, dann gingen wir zuerst in die Kapelle und dann in die Klosterkirche. Ist es ein Zufall, dass sein letzter Lebensabschnitt in der Kirche begann? Vermutlich hatte er die ganze Nacht, bewusst oder unbewusst, in der Krypta verbracht, als wir ihn am Morgen völlig entkräftet dort fanden.
Nun ist unser Mitbruder P. Michael Ditsche bei Gott. Er hat seine irdische Wanderschaft vollendet, und er ist viel gewandert! Nun ist er in Gottes Herrlichkeit. Die Botschaft des hl. Franz von Sales hat ihm den Weg gewiesen: „Was wir in Mühe und Leid säen, ernten wir in Freude und Seligkeit. Das Gottvertrauen richtet uns auf.“
So wird das Leben und Sterben unseres Mitbruders zur Botschaft für uns: froh den Weg gehen, treu die Pflicht erfüllen, uns zum Kreuz bekennen und im Kreuz die Herrlichkeit und Liebe Gottes erkennen und bezeugen. Dann werden wir selbst Boten der Herrlichkeit und Liebe Gottes werden, dann können wir weitergeben, was Jesus uns geschenkt hat: Heil und Leben, Leben in Fülle. Amen.P. Konrad Eßer OSFS (Overbach 28.10. 2013)