Predigt beim Requiem P. Josef Zehetner (Röm 6,3-11; Mk 1, 29-34)

Die Heilung der Schwiegermutter

Sie werden sich vielleicht wundern, warum ich diese Begebenheit aus dem Markusevangelium von der Heilung der Schwiegermutter des Petrus hier beim Auferstehungsgottesdienst für unseren P. Zehetner ausgewählt habe. Der Grund dafür ist nicht der, dass „Sepp“ Zehetner seinen Vorgänger als Pfarrer in der Pfarre Franz von Sales, P. Gottfried Prinz, jedes Mal, wenn er ihm begegnete, scherzhaft „Schwiegermutter“ genannt hatte. Ich weiß zwar nicht wie es zu dieser Bezeichnung gekommen ist, aber als erster Pfarrer dieser 1963 gegründeten Pfarre in Wien Favoriten sah offensichtlich P. Prinz in seinem Nachfolger einen „Schwiegersohn“, worauf Sepp zu seinem Vorgänger dann stets „Schwiegermutti“ gesagt hat. Aber wie gesagt, das ist jetzt nicht der Grund, warum ich diese Stelle für diese Stunde hier ausgewählt habe.
Vielmehr ist sie mir in den Sinn gekommen, weil P. Josef am Abend des 22. Septembers so starkes Fieber hatte, dass wir den Notarzt rufen mussten. Die Pflegerin Ingrid musste ihm jede Stunde trockene Kleider anziehen, weil er so durchnässt war. Der Notarzt empfahl uns, ihn ins Krankenhaus bringen zu lassen, weil eine Lungenentzündung dort besser behandelt werden könne als daheim. Am Montag gab man uns die Auskunft, dass Josefs Zustand kritisch sei. Gleich am Nachmittag besuchten Br. Hans, Frau Ingrid und ich ihn, weil wir damit rechnen mussten, dass sein Leben zu Ende geht. Und ich konnte ihm noch die Krankensalbung spenden und ihm dadurch Mut machen, sein Leben in die Hände unseres liebevollen und barmherzigen Gottes zu legen.
Das Fieber, das die Schwiegermutter des Petrus und uns alle irgendwann einmal erwischt, ist eine Reaktion unseres Leibes auf alle möglichen auf uns eindringenden Einflüsse von außen, gegen die wir zu kämpfen haben. Das können Mikroorganismen sein, aber auch andere Umstände, die von außen auf uns eindringen und unsere Körpertemperatur bis in gefährliche Dimensionen erhöhen können. Der Hymnus aus dem Brevier, dem Stundenbuch, weist uns auf diese Fieberanfälligkeit im noch viel umfassenderen Sinn hin mit dem Vers:
Wir atmen fiebrig und gehetzt, der Streit flammt auf, das rasche Wort; in deiner Nähe, starker Gott, ist Kühlung, Frieden und Geduld.
Gleichzeitig gibt dieser Vers auch die therapeutische Antwort: Bei Gott, in seiner Nähe ist Kühlung, Frieden und Geduld. Das ist es genau, was Jesus der Schwiegermutter des Petrus gibt: Nähe. Sie fühlte sich offensichtlich von den Besuchern in ihrem Haus angegriffen, bedroht, vielleicht auch ausgenützt und dann legte sie sich mit Fieber ins Bett. Und Jesus machte etwas, das unsere normalen Reaktionen überschritt. Er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf – während die anderen nur über sie redeten. Wir kennen das alle: im Reden über jemanden sind wir super, im Reden mit jemanden tun wir uns oft furchtbar schwer. Es bleibt uns heute zwar nichts anders mehr übrig, als über unseren P. Zehetner zu reden, und dennoch dürfen wir darauf vertrauen, dass Jesus auch zu ihm gegangen ist, als er mit Fieber die letzte Woche seines Lebens im Bett lag, dass Jesus auch ihn an der Hand gefasst hat und ihn aufgerichtet hat – aufgerichtet hat zum Ewigen Leben bei Gott und dass er jetzt in der Nähe Gottes Kühlung, Frieden und Geduld erfährt – vielleicht noch viel vollkommener als je zuvor. Denn sein irdisches Leben hat P. Josef dem gewidmet, von dem während seiner Schulzeit als Internatsschüler (hier) in Dachsberg und dann in Ried seine Berufung zum Ordensleben und zum priesterlichen Dienst gewachsen ist. Gleich nach der Matura trat er bei uns Sales-Oblaten ins Noviziat in Eichstätt ein. Seine Geselligkeit und seine Kameradschaftlichkeit wie auch seine humorvolle und spaßige Art machten es ihm leicht, sich in einer großen Gemeinschaft wie sie damals in Eichstätt vorhanden war, einzuordnen. Und es war nicht unbedingt das Interesse am Studium, das ihn überdurchschnittlich an die Bücher oder Skripten fesselte, sondern vielmehr das Zusammensein mit den Mitbrüdern, das ihn mehr zum Blühen brachte – zum Leidwesen seinen Ausbildungsleiters in Eichstätt, der ihn – Sepp hat mir das einmal selbst erzählt – ein bisschen mehr zum Studieren anhalten wollte, während er vor der schweren Dogmatikprüfung das Holzhacken den Büchern vorzog, um sich die Nervosität abzulenken. Trotz allem: Was die Menschen an ihm schätzten, war seine Unkompliziertheit und die Zeit, die er sich für jede/n nahm, der/die anklopfte. Das ist es auch, was er von Jesu Beispiel eins zu eins übernommen hatte: Er war da, wenn er gebraucht wurde, und er war sich nicht zu gut, auch den niedrigsten der Gesellschaft zu dienen. Es war zwar nicht wie im Evangelium die ganze Stadt vor seiner Haustür, aber viele Obdachlose und Gestrandete kamen tagtäglich und P. Josef schenkte ihnen Zeit, etwas vom wertvollsten unserer Tage und Jahre. Josef Zehetner war ein Volkspriester. Er war einer unter den Menschen. Seine Botschaft war für jedermann/frau verständlich, da war nichts Übertriebenes oder Überhebliches an ihm, sondern ganz einfach das, was ihn selbst bewegte und was er auch selbst erlebte. Das waren seine Stärken wie z.B. die Treue zu seiner Berufung, das waren aber auch seine Schwächen und Fehler, die er kannte und denen er sich auch stellte. Das alles hatte seine Zeit und auch er brauchte dazu seine Zeit. Im persönlichen Gespräch als Mitbruder in der Kommunität oder auch als sein Oberer habe ich ihn erlebt als einen, der mir offen und ehrlich begegnete – in Zeiten des Erfolges wie auch in der Bedrängnis. Und auch die kannte er und erlebte er wie der hl. Paulus, der von einem Stachel im Fleisch redete.
Paulus aber bleibt trotz aller Bedrängnis voll von Hoffnung, mit der er sich und seine Gemeinde tröstet: Denn wer gestorben ist, der ist frei von der Sünde. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. Und uns, die wir diesen irdischen Tod noch vor uns haben, macht er Mut: So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus. So wollen wir unseren P. Josef geborgen wissen in der Gemeinschaft mit Christus, der ihn erlöst hat und mitnimmt hin zum himmlischen Vater. Amen

P. Provinzial Thomas OSFS (Dachsberg 7.10. 2013)