Predigt beim Requiem P. Konrad Boja (2 Kor 4,7-11; Mk 10, 35-40)

Selbstbewusst, couragiert und geradlinig

„Wir können es!“ So antworten die beiden Zebedäussöhne Jesus auf seine Frage, ob sie den Kelch trinken können, den er zu trinken hat. „Wir können es!“ – selbstbewusst und entschlossen treten Jakobus und Johannes auf. Selbstbewusst und entschlossen, couragiert und geradlinig, so war das Wesen unseres P. Boja. Wie ein Soldat, der seinen Dienst und seine Pflicht über das eigene Wohlbefinden stellt und treu, gehorsam und redlich seiner Aufgabe nachgeht – so lebt P. Boja in unserer Erinnerung. „Wir können es!“ – dieses Wort fällt mir ein, wenn ich an meine letzten Gespräche mit P. Boja denke. Die lebensgefährliche Erkrankung, die vor ungefähr einem Jahr diagnostiziert wurde, hielt ihn nicht davon ab, seinem seelsorgerlichen Dienst uneingeschränkt nachzugehen. Der Gedanke an den Krankenstand war ihm absolut fremd. „Ich kann das alles tun. Vormittags eine Chemotherapie und abends schon wieder Messe.“ So sagte er mir in unserem letzten Gespräch und dabei glänzten seine Augen fast ein bisschen vor Stolz, denn von einer Chemo lässt ER sich nicht beeindrucken. Die Kraft strotzte aus unserem P. Boja. Und er war kein müder oder gar bequemer Mensch. Er war ein Sportler, er war ein Kämpfer, er war eifrig, strebsam, wach und (er) lebte ganz für seine Aufgabe zuerst in Schule und Internat und dann in seiner Rolle als Priester, Pfarrer und Seelsorger. P. Boja war nicht leicht aus der Fassung zu bringen. Er war keine Mimose und auch nicht empfindlich. Man konnte ihn eigentlich nicht aus der Fassung bringen, denn er trat jeden Tag in der gleichen Ver-Fassung auf, priesterlich erkennbar gekleidet, pflichtbewusst, gut vorbereitet und pünktlich. Er konnte es wirklich! Er konnte einem zeigen, wie man konsequent und diszipliniert von früh bis spät planen und auch durchführen kann. Dabei war ein kleiner Mittagsschlaf wie eine Stunde Laufen oder flottes Spazierengehen genauso eingeplant wie die Gottesdienste, die Sitzungen und die vielen anderen Termine, die er den ganzen Tag über wahrzunehmen hatte. Wir können es! Sagten die Zebedäussöhne. „Ich kann es!“ – und – „Ich tue es auch so, wie ich es kann und für richtig halte.“ So kennen wir P. Boja. Nicht immer wurde er aufgrund dieser Klarheit in seinem Reden und Tun geschätzt. Manche sahen dahinter vielleicht auch zu wenig Sensibilität und nicht alle taten sich leicht mit ihm. Kritik ließ P. Boja von jedermann zu, und er trug auch niemanden etwas nach, aber manchen fehlte dann doch auch seine Einsicht. Auch die anderen Jünger ärgerten sich über Jakobus und Johannes, dass sie sich überhaupt trauten, Jesus so eine Frage zu stellen. Wahrscheinlich war es auch die Härte der Vertreibung aus der Heimat, die P. Boja und seiner Familie am Ende des Krieges sicherlich unheimlich zugesetzt hat, die er aber auch als Überlebensstrategie erlernen musste. Und vielleicht war es diese Überlebensstrategie seiner Kinder- und Jugendzeit, die ihn dann oft als schmerzunempfindlich hat erscheinen lassen. Sein positives Überlebensmuster war der Humor. Jederzeit hatte er einen Witz auf Lager, über den er mindestens wenn nicht mehr lachen konnte als der, dem er ihn erzählte. Mit der Vertreibung aus seiner Heimat begann für P. Boja die lebenslange Wanderschaft – innerlich und äußerlich. Innerlich deshalb, weil er sich niemals zurücklehnte und sagte: Jetzt möchte ich einmal leiser treten oder in den Ruhestand treten. In unserem letzten Gespräch teilte er mir wie schon vorher bei jedem Gespräch seine Bereitschaft mit, überall hinzugehen, wohin ich ihn als Oberer schicken wolle. Genauso wie er sich bereits Sorgen machte, was mit ihm sein werde, wenn er am 1. Juli 75 wird und nicht mehr Pfarrer sein könne. Und trotzdem ahnte er etwas davon, was Paulus wohl damit meinte, dass wir den Schatz der Erkenntnis des göttlichen Glanzes in zerbrechlichen Gefäßen tragen. Seine Augen waren feucht, wenn er auf der einen Seite Pläne weit über die nächsten Monate hinaus machte und gleichzeitig schweren Herzens zugeben musste, dass seine Kräfte doch aufgrund seiner Krankheit abnahmen und ihm die Diagnose des Arztes immer wieder einholte. Widerstand und Ergebung – so nennt Dietrich Bonhoeffer diese beiden Seiten der menschlichen Seele.
Seine äußere Wanderschaft führte P. Boja in die verschiedensten Orte und Tätigkeiten. Als Lehrer und Erzieher war er ein Freund der Jugend, sicher streng und herausfordernd, wie er zu sich selbst eben auch war. Als Pfarrer und Seelsorger wechselte er oft die Pfarrstelle. Stolz sagte er mir: solange wie hier in Palenberg war ich noch nirgends in meinem Leben. Als wollte er mir sagen, es tut ihm, dem Wandernden, auch gut, ein Zuhause für längere Zeit gefunden zu haben. Dass P. Boja erst nach dem Philosophiestudium in unsere Ordensgemeinschaft eintrat, lässt sein Suchen und Ringen in seiner Berufung, aber auch seine Entschiedenheit in der Wahl deutlich aufscheinen. Und wofür er sich entschieden hat, dafür lebte er auch ganz. Da war die Spiritualität von uns Oblaten des hl. Franz von Sales sicher die richtige Wahl, denn in ihr fand er eine Bestätigung dafür, dass man nicht halbherzig und motivationslos an das Leben und die Aufgaben herangeht, sondern mutig, eifrig und entschlossen. Sein Glaube an das Evangelium und an die Kirche Jesu Christi war sein festes Fundament, auf dem er sein Leben als Ordensmann und Priester authentisch lebte. Und ich glaube sagen zu können. Vielleicht ist P. Bojas größte Stärke nicht unbedingt die salesianische Sanftmut gewesen, aber das fortiter in re – also das Tapfersein im Dienen war es auf alle Fälle. Daher ist er nie durch Bedrängnis und auch nicht durch die Krankheit mutlos geworden. Er hat es gerade im letzten Jahr ganz deutlich erfahren, was es heißt, die Todesleiden Jesu am eigenen Leib zu tragen. Ich wünsche ihm, dass jetzt auch das Leben Jesu an seinem Leib sichtbar wird. Den Kelch, den Jesus getrunken hat, hat P. Boja bereits getrunken. Welchen Platz P. Boja nun in Reich Gottes einnehmen wird, das wollen wir allein dem barmherzigen Vater im Himmel überlassen und dem Geschenk der Erlösung, das uns Jesus bereitet hat. Amen.

P. Provinzial Thomas OSFS (Palenberg, 15.2.2013)