Predigt beim Requiem P. Georg Sailler (1 Petr 1, 3-9; Lk 12, 35-44)
Es war alles vorbereitet für seinen Lebensabend
Am kommenden Montag hätte P. Sailler mit Dir, lieber Bischof Ludwig, eine Begegnung mit anschließendem Mittagstisch in Linz gehabt. Du wolltest ihm – so denke ich – am letzten Tag seines Amtes und Dienstes als Pfarradministrator von Aurach mit dieser Einladung für seine langjährige seelsorgliche Tätigkeit in der Diözese Linz danken und ihm für seinen Ruhestand genügend Gesundheit wünschen sowie die Zufriedenheit und Dankbarkeit in der Rückschau auf sein Leben und Wirken als Priester, Kaplan und Pfarrer. P. Sailler hatte vor, zu dieser Begegnung in den Bischofshof zu fahren – das hat er mir bei unserem letzten Zusammensein gesagt. Obwohl er kein Freund von solchen offiziellen Empfängen war, habe ich es gespürt, hat er sich doch über diese Würdigung seines pastoralen Engagements gefreut. Nun ist es anders gekommen. Nun bist Du, lieber Herr Bischof, zu ihm gekommen, hierher, wo er seine letzte Ruhestätte finden wird und der Mittagstisch ist das himmlische Mahl – die Eucharistie, die wir jetzt in Gemeinschaft mit ihm und der ganzen Kirche als Danksagung für sein Leben und zu unserer Tröstung in dieser Stunde des doch so unerwarteten Abschiedes feiern. „Dadurch soll sich euer Gaube bewähren, und es wird sich zeigen, dass er wertvoller ist als Gold, das im Feuer geprüft wurde und doch vergänglich ist.“ So haben wir im 1. Petrusbrief gehört.
Es war alles vorbereitet für seinen Lebensabend. P. Sailler´s Wunsch war es, in Aurach bleiben zu können und weiterhin noch als Ruhestandsgeistlicher aushelfen zu können. Da es für einen emeritierten Pfarrer nicht einfach ist, sich von heute auf morgen aus der Verantwortung und Leitung einer Pfarre herauszuhalten, waren wir in der Ordens– und Diözesanleitung nicht ganz sicher, ob diese Lösung wirklich gut ist. Aber die Pfarrgemeinde wie auch der Nachfolger von P. Sailler, Pfarrer Ortner, hießen ihn als Pensionist willkommen. Und als ich im Juli das letzte Mal in Aurach war, erlebte ich auch tatsächlich P. Georg als einen innerlich aufgeräumten Mitbruder, der überzeugend und auch erleichternd vom Loslassen und vom Zurückziehen gesprochen hat. Und ich hatte ein gutes Gefühl, dass die Zusammenarbeit zwischen Vorgänger und Nachfolger gut gelingen würde. Dieses Loslassen von der Verantwortung der Pfarrleitung war offensichtlich für P. Georg noch ein größeres Loslassen. Es war die Einübung ins letzte Loslassen. Wenn auch sein gesundheitlicher Zustand im Frühjahr durch einen längeren Krankenhausaufenthalt doch ernsthaft beeinträchtigt wurde, so hatte ich jetzt im Sommer den Eindruck, dass P. Sailler sich wieder gut erholt hatte und eigentlich noch ein rüstiger 80er ist, der sich auf seinen Ruhestand freut und auch auf jeden Gottesdienst, den er als Priester weiterhin halten dürfe und könne. Denn in seinem Selbstverständnis als Priester hat er seinen Gürtel nicht abgelegt und seine Lampe nicht ausgelöscht. Ganz im Gegenteil, er war ein wacher Geist, der stets am aktuellen Stand der Kirche und auch der Politik war. Er las die kirchlichen Dokumente und Verlautbarungen sehr genau, die erschienen, er wusste, was in den päpstlichen Rundschreiben stand, er machte sich Gedanken und auch Sorgen, wie es wohl in der Kirche mit all den Zukunftsthemen angefangen vom Priestermangel bis hin zu den Problemen der Pfarrzusammenlegungen weitergehen werde. Und wer P. Sailler kannte, der wusste auch, dass er ein Skeptiker war, einer, der zunächst nicht recht glauben wollte, dass all die Lösungen, die wir in der Kirche jetzt angehen, auch wirklich zu einem guten und sinnvollen Ziel führen. Ich denke, diese Wachsamkeit des Geistes wie auch die Skepsis, die er hatte, waren bei ihm wohl auch biografisch bedingt. Seine Kindheit war nicht leicht. Er war ein Einzelkind in einer Zeit, in der man nicht gern alleine war und Einzelkinder eine Seltenheit waren. Die Not und die Angst, die in der NS-Zeit alltäglich war, war leichter zu ertragen, wenn man Geschwister hatte, mit denen man sie teilen konnte. Selbst die Geborgenheit des väterlichen Schutzes musste P. Georg entbehren, da er seinem Vater seit Ausbruch des Krieges nie mehr begegnen sollte. Als alleinstehende Frau mit einem einzigen Kind musste sich da seine Mutter wohl behaupten und sie tat gut, als sie ihren Sohn schließlich im Konvikt in Ried anmeldete, da man ihn hier in Dachsberg nicht genommen hatte, weil er sich offen gelassen hatte, ob er einen geistlichen Beruf ergreifen würde oder nicht. So ändern sich die Zeiten!
Letztlich war es dann das Konvikt St. Josef in Ried, in dem P. Georg Kollegen und Freunde fand, die ihm bestimmt halfen, sich für den Weg zum Priester in der Ordensfamilie von uns Oblaten des hl. Franz von Sales zu entscheiden. Und ich denke, es war eine neue Familie für ihn, die er so von zuhause her nicht kannte. In dieser Familie des Ordens konnte die Freude an seiner Berufung wachsen und damit auch seine starke Verbundenheit mit der ganz großen Familie aller Christen, der Kirche. Der Ruf, als Student in die USA zu gehen, um schließlich als Englischlehrer hier in Dachsberg wirken zu können, kam für ihn vielleicht überraschend, und doch prägte diese Horizonterweiterung sein ganzes weiteres Leben. Bis zuletzt hatte er Kontakte zu den damaligen amerikanischen Studienkollegen und Mitbrüdern. Und wenn P. Georg auch die letzten 25 Jahre in keiner Gemeinschaft von uns Sales-Oblaten lebte, so hatte ich dennoch das Gefühl, dass er sich ganz und gar mit unserer Ordensgemeinschaft verbunden fühlte, denn er verfolgte akribisch genau, was sich in unserer Ordensprovinz so tat. Seine Art von Gewissenhaftigkeit und Korrektheit verband sich mit seiner Treue und Sorgfalt. Das wissen genauso alle, die ihn als Pfarrer erlebten. Das war nicht nur sein zusammengeräumtes Pfarrbüro, das war auch sein Engagement in all den organisatorischen Belangen, in denen er zum Ausdruck brachte, dass er seinen Beruf ganz erfüllen wollte und damit seiner Berufung auch gerecht werden wollte. In unserer Ordensprofess steht als Schlüsselsatz des Oblateseins: Ich stelle mich dieser Gemeinschaft mit ganzem Herzen zur Verfügung. Daraus lebt das fruchtbare Wirken eines Menschen, der sich in den Dienst Jesu und seines Evangeliums stellt. Er kann nicht überrascht werden, so wie Jesus das in dem Bildwort vom wachsamen Knecht beschreibt, der sich bereit hält für die Rückkehr seines Herrn. Er ist ein treuer und kluger Verwalter. Auch das war P. Sailler. Und das nicht nur in den geistlichen, sondern auch in den irdischen Dingen. Das können die bezeugen, die mit ihm in ökonomischen Belangen zu tun hatten.
Ich glaube, P. Sailler war gerüstet für die Rückkehr seines Herrn. Und ich habe keine Angst, dass er ihm, seinen Herrn sogleich öffnen konnte, sobald er gekommen ist und bei ihm anklopfte. Nun kann er das ganze Vermögen Gottes, das Gott mit uns Menschen ohne Vorbehalt teilen möchte, von Gott, seinem Herrn, dem er redlich gedient hat, in Empfang nehmen. Es ist das Erbe, das im Himmel für uns aufbewahrt ist, unser Heil. Wie ermutigt und tröstet uns doch der hl. Petrus, wenn er schreibt: Durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten haben wir eine lebendige Hoffnung und wir empfangen das unzerstörbare, makellose und unvergängliche Erbe, das im Himmel für uns aufbewahrt ist. Im hl. Franz von Sales haben wir einen guten Ratgeber, wie wir dieses Ziel auch wirklich erreichen können: Nicht das Außergewöhnliche suchen, sondern das Gewöhnliche außergewöhnlich gut tun. Und ich glaube, dass P. Sailler seinen Ordenspatron dahingehend sehr ernst genommen hat. Amen.
Provinzial Thomas Vanek OSFS (Dachsberg, 26.8.2015)