Predigt beim Requiem P. Franz Jungbauer (Offb 3,14.19-22; Mt 19, 27-30)

Wer Gott in der Zeit nicht sucht …

Auf die Einladung zu seinem Goldenen Priesterjubiläum, das P. Franz vergangenes Jahr feierte, schrieb er den Satz: Wer Gott in der Zeit nicht sucht, wird ihn in der Ewigkeit nicht finden. Ich glaube, dieser Satz war für P. Franz nicht bloß ein schöner und passender Spruch für seine Einladungskarte, sondern dieser Satz war für ihn tiefste Überzeugung, weil sich darin das Motiv seiner Berufungsgeschichte zum Priester und Ordensmann wiederspiegelte. Wer Gott in der Zeit nicht sucht, wird ihn in der Ewigkeit nicht finden. Denn heute, da P. Franz sein Leben vollendet hat, bekommt dieser Satz gerade in Hinblick auf ihn noch einmal eine andere, eine ganz persönliche Bedeutung. Auf den Punkt gebracht könnte man nämlich sein Leben so beschreiben: Er, der Gott in seiner Zeit gesucht hat, wird ihn in der Ewigkeit finden. Das ist unser Glaube an die Auferstehung, mit dem wir uns heute besonders stärken und trösten in Anbetracht des Verlustes unseres lieben Verstorbenen.
Wenn wir auf das Leben von P. Franz schauen, dann können wir feststellen, dass seine Suche nach Gott mit seinen biografischen Wendepunkten eng verbunden war. Es waren einschneidende Ereignisse in seiner Lebensgeschichte, die seine Lebenseinstellung wohl sehr geprägt haben, die seinen Glauben beeinflusst und seinen Dienst als Seelsorger inspiriert haben. Am Ende seines Jubiläumsgottesdienstes begann P. Franz voriges Jahr nämlich seine Dankesworte so: „Als ich 1970 im Rosenheimer Krankenhaus den 2. Herzinfarkt erlitt, war mir klar, dass meine Lebenserwartung nach 6 Priesterjahren dem Ende zustrebt. Niemand konnte mir damals diese Denkweise ausreden. Nach 10 Wochen Krankenhausaufenthalt und weiteren Wochen der Erholung kam ich zusehends auf die Beine, sodass ich 1974 hierher nach Niederschönenfeld versetzt werden konnte. Eine Reihe von Krankheiten waren die ständigen Begleiter meiner Jahre, von denen eine nach der anderen vergingen; allerdings immer im Bewusstsein meines lebensbedrohlichen Zustandes eines halben Herzens, der mich nie mehr verlassen hat. Der liebe Gott muss mich schon recht gern haben, weil er, nach Aussage des Hebräerbriefes DEN züchtigt, den er lieb hat.“ P. Franz hat es selbst am treffendsten ausgedrückt. Da hing die lebensbedrohende Herzschwäche ständig über ihn, verbunden mit dem Gefühl der Angst, wie lange sein Leben wohl noch dauern werde. Wie lange kann man denn mit einer solchen schweren Beeinträchtigung der Gesundheit wirklich leben? Quid de nocte – wie weit ist die Nacht? So hat P. Franz in Anlehnung an unsere salesianische Ordensregel sein Büchlein über die geheime Offenbarung genannt. Franz von Sales empfiehlt nämlich, wenn man in der Nacht aufwacht, so sollte man sich mit diesen Gedanken aus dem Propheten Jesaja beschäftigen: Wächter, wie lange noch dauert die Nacht? – um selbst in dieser kurzen Zeit des nächtlichen Erwachens es nicht zu versäumen, mit Gott in Kontakt zu treten. Ein Mensch, der damit rechnen musste, dass seine Tage gezählt sind – und wie er selbst sagte, war er ja von dieser Denkweise nicht abzubringen – lernte offensichtlich auf ganz besondere Weise jeden Tag, an dem er wieder erwachte, als einen besonderen Tag zu erleben, als ein besonderes Geschenk, vielleicht auch als einen Auftrag Gottes, sich trotz der vielen Schwächen und Krankheiten von Gott berufen und gesandt zu wissen, für sein Reich und die Ernte in diesem Reich zu arbeiten und nicht müde darin zu werden. Schließlich war P. Franz auch schon vor seiner Erkrankung vom Leben nicht gerade verwöhnt worden. Die Heimatvertreibung, die er mit seiner Familie erleben musste, das Migrationsschicksal, das uns heute in Deutschland täglich nahe geht, lässt uns nur ein wenig erleben, wie es ist, wenn man enteignet wird, zur Zwangsarbeit verpflichtet und schließlich aus der Heimat vertrieben wird, und irgendwo auf das Willkommen und Wohlwollen fremder Leute angewiesen ist. Das alles hat P. Franz wohl in seinem Herzen sein ganzes Leben lang bewahrt. Und es liegt auf der Hand, dass man bei all diesen Bedrängnissen, die man von Kindheit an erlebt hat, eines Tages wie Petrus Jesus fragt: Du weißt, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt. Was werden wir dafür bekommen? Diese Frage des Petrus hat P. Franz – wie er in seinem Büchlein selbst schreibt, berührt. Was werden wir für all die Mühen, die wir um dir zu folgen auf uns genommen haben, bekommen? Und ich bin überzeugt, dass es kein leichter Weg für P. Franz war, angefangen von seiner Ausbildungszeit in den Schulen und Internaten von uns Sales-Oblaten bis hin zu seiner Entscheidung, Oblate des hl. Franz von Sales zu werden und als Priester sich dieser Ordensgemeinschaft von ganzem Herzen zur Verfügung zu stellen. Das hat auch seine Theologie nachhaltig geprägt. Nicht ohne Grund beschäftigte ihn dieses letzte Buch der hl. Schrift, die Offenbarung des Johannes, die Apokalypse, dieses Buch mit den sieben Siegeln. Es ist mit seinen Bildern und Metaphern ein Buch, das einlädt, sich mit dem Sinn und Ziel des Lebens zu beschäftigen. Für einen wie P. Franz, den diese Fragen ja schließlich „hautnah“ gegangen sind, war es offensichtlich ein Anliegen, die edlen Werte des christlichen Glaubens zu schützen und zu bewahren und sie nicht der Oberflächlichkeit einer zerfahrenen und sprunghaften Gesellschaft preiszugeben. Und das fand auch noch auf einer anderen Ebene seinen Ausdruck: Denn seine Liebe zur sakralen Kunst und seine handwerkliche Geschicklichkeit kamen nicht nur der kirchlichen Kulturpflege zugute, sondern sie halfen ihm persönlich, in den vielen Kunstwerken, um die er sich annahm, seinen Glauben an die Offenbarung Jesu Christi und seine Treue zur Kirche gefestigt zu leben und zu verkünden. Nicht ohne Grund sagte man über ihn, es hätte kaum jemand in Niederschönenfeld ein so detailliertes Wissen über die Geschichte der Kirche wie er.
Jesus sagt: Amen, ich sage euch: Und jeder, der um meines Namens willen Häuser oder Brüder, Schwestern, Vater, Mutter, Kinder oder Äcker verlassen hat, wird dafür das Hundertfache erhalten und das ewige Leben gewinnen. P. Franz hat das Verlassen gelernt. Das Verlassen seiner Heimat, das Loslassen seiner Gesundheit. Das Loslassen ist auch das Fundament und Prinzip des Ordenslebens, das P. Franz für sich gewählt hat. Loslassen um frei zu sein, frei für die Gemeinschaft, frei für das Reich Gottes. Auch wenn P. Franz die meiste Zeit seines Ordenslebens in keiner Gemeinschaft lebte, so war er mit der Gemeinschaft doch sehr verbunden. Sein Interesse für die Mitbrüder zeigte er dadurch, dass er, wann immer es ging, zu mitbrüderlichen Treffen fuhr. Er erkundigte sich über die Mitbrüder, unterstützte die Mitbrüder in den Missionsgebieten und zeigte so seinen Gemeinschaftsgeist und seine Mitbrüderlichkeit. Vielleicht war es seine Vorsehung, dass er in seiner gesundheitlich angeschlagenen Verfassung vor über 40 Jahren Frau Marianne Sedlmayr als Haushälterin gefunden hat – und sie war mehr als das, sie war schließlich als gelernte Krankenschwester für ihn ein Bote des Himmels. Er selbst hat seinen Dank an Sie voriges Jahr zu seinem Jubiläum ganz deutlich und tief berührt ausgedrückt und diesem Dank darf ich mich hier auch anschließen.
„Ihr, die ihr mir nachgefolgt seid, werdet auf zwölf Thronen sitzen“, sagt Jesus. P. Franz hat seine Nachfolge Jesu ernst genommen. Sein Einsatz als Kaplan und Pfarrer in den verschiedenen Gemeinden war engagiert und ernsthaft. Er war ein Apostel – ein Gesandter des Herrn. Nun darf er das Klopfen seines Herrn, dem er gedient hat, deutlich vernehmen und die Stimme hören, die ihn einlädt, die Tür zu öffnen, damit ER, sein Herr und Meister, bei ihm eintreten und mit ihm Mahl halten kann. Wünschen dürfen wir ihm heute, dass er mit Christus siegt und sich nun mit ihm auf seinen Thron setzen darf. Amen.

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Eichstätt, 13.7.2015)