Predigt beim Requiem Br. Benedict Schmitz (1 Kor 3, 9c-11.16-17; Joh 2,13-22)

Mit Kunst helfen, eine Gotteserfahrung zu machen

Vor ungefähr 10 Jahren hatte ich die Gelegenheit, mit Benedict Schmitz eines seiner letzten Werke gemeinsam zu planen, und das war die Raumgestaltung der Chorkapelle (oder Wochentagskapelle) hier im Salesianum. Seine Krankheit kündigte sich damals bereits leise an, er war in ärztlicher Behandlung, musste Medikamente einnehmen, die seine geistige und körperliche Beweglichkeit schon zu beeinträchtigen begannen. Trotzdem war es für mich noch gut erlebbar und auch beeindruckend, WIE Benedict an seine künstlerischen Aufträge (oder Herausforderungen) heranging. Zunächst verinnerlichte er den Ort, den er künstlerisch gestalten wollte. D.h. er nahm ihn in sich auf, damit er ihn animierte, anregte, herausforderte. Er wurde also eins mit diesem Ort, identifizierte sich mit ihm. Dann verband er sich geistig mit den Menschen, für die dieser Ort gestaltet werden sollte. Sie sollte und wollte er ja mit seiner Kunst berühren und ihnen dazu verhelfen, eine Gotteserfahrung zu machen, eine Erfahrung, die sie zu sich selbst führen sollte und damit gleichermaßen zu ihrem Gott. Bei den Bildern, die Benedict malte, bei den Mosaiken, die er für alle möglichen Orte entwarf, genauso wie bei den liturgischen Geräten und Gewändern, die er kreierte, war das wahrscheinlich auch so. Denn das ist doch das, was einen sakralen Künstler ausmacht: damit seine Kunst Verkündigung wird, muss er selbst die Einheit zwischen Gott und Mensch spüren – zumindest erahnen. Ich bin überzeugt, Benedict hat diese Einheit gespürt und wollte mit seiner Kunst etwas von seiner Innerlichkeit der Welt zeigen, etwas von seiner tiefen Gläubigkeit und von seiner Liebe zur Liturgie, zum sakramentalen Theater, zum heiligen Kult. Die Kompetenz dafür erwarb er nicht nur aus theologischen Werken und Kunstbänden, sondern sie wurde in ihm durch die vielen Beobachtungen und Erfahrungen mit Gottesdiensten und kirchlichen Einrichtungen wie auch durch das persönliche pastorale Engagement in der Seelsorge. Benedict war ein sehr sensibler und ästhetischer Mensch, daher war er auch ein sensibler und ästhetischer Liturge. Was er für die Liturgie schuf, war stimmig, es fügte sich, selbst wenn es nachträglich ergänzt wurde, nahtlos ein, als ob es von Anfang an dazugehörte. Was mich vor allem bei Benedict´s frühen Werken beeindruckte, war sein Mut, mit dem er die kirchlich verstaubte Tradition der vorkonziliaren Zeit zu durchbrechen versuchte. Bereits in den 1960er Jahren entwarf er Messgewänder, Stolen und Kelche, und auch Bilder, die mit ihren Farben, mit ihren Symbolen eine Wende in der Theologie und im Kirchenverständnis demonstrierten. Vielleicht war das auch in ihm als theologischer und künstlerischer Autodidakt ein stiller Protest gegen die Zeit seiner Jugend, die er ja bereits hier im Ordenshaus als Druckerlehrling verbrachte. Eine Zeit, in der das ganze Leben geregelt war und individuelle Neigungen und Charismen nicht besonders beachtet wurden. Aber der Geist der Kirche war „unstoppable“; der Geist einer Kirche, die sich den Menschen zuwenden wollte, die die Botschaft der Freiheit, der Mündigkeit und Selbstverantwortung, der menschlichen Würde neu zu definieren begann, die etwas zeigen wollte von der Kraft der Freiheit und Erlösung, die in ihr schlummert; einer Kirche, die mitten in der Welt den berührbaren Gott entdeckte, vor dem man nicht Angst zu haben braucht, weil er ein Gott des menschlichen Herzens ist, wie Franz von Sales es einmal schreibt. „Gott neben sich haben wie einen Gefährten, den man sich restlos anvertraut“, wie der französische Schriftsteller Larigaudie schreibt und dem Benedict eine seiner berühmtesten und meist verwandten Kunstkarten widmete.
Das heutige Hochfest der Apostelfürsten Petrus und Paulus stellt die beiden Säulen der Kirche dar, auf die sie gebaut ist: die Hierarchie und das Charisma. Das gemeinsame Priestertum und die persönliche Berufung. Die Institution und die individuelle Person. Eins wäre ohne das andere nur ein Torso. Es war die Ordensgemeinschaft der Sales-Oblaten, die offensichtlich der Ackerboden für Benedict´s Charisma war. Durch die Spiritualität des hl. Franz von Sales ermutigt vermochte er seinen Weg zu finden und zu gehen. „Sei, was du bist, und sei es ganz!“ So war und wurde Benedict Schmitz ein „Tempel des heiligen Geistes“, wie der hl. Paulus den Christen bezeichnet. Und dass er Tempel des hl. Geistes ist, konnte er durch seine Berufung zum Ordensmann in sich selbst mehr und mehr entdecken. Dabei begleitete ihn die salesianische Spiritualität mit ihrer Achtung vor der Individualität des Menschen und sie half ihn der Menschwerdung Gottes in seinen Werken Ausdruck zu verleihen. „Wisst ihr nicht, dass euer Leib Tempel des Heiligen Geistes ist. Gottes Tempel, das seid Ihr…“ Wenn Jesus die Händler, Geldwechsler und Geschäftemacher aus dem Tempel vertreibt, dann tut er das, weil er sich selbst als Tempel fühlt, und was den Tempel entehrt und verunstaltet, das entehrt und verzerrt auch ihn leibhaftig. Es tat auch Benedict weh, wenn liturgische Räume missbraucht wurden und die tiefgründige und klare Symbolik durch billigen liturgischen Pragmatismus entfremdet und verunstaltet wurde. Dem entgegenzuwirken sah er sich gesandt.
Ordensleben in der Nachfolge Jesu nach den evangelischen Räten des Gehorsams, der ehelosen Keuschheit und der Armut und die Berufung zum Künstler waren in Benedict zu einer interessanten und ausdrucksreichen Synergie verschmolzen. Als Ordensmann und Künstler war er aber Zeit seines Lebens auch unterwegs – also nicht am Ziel. In allem ist etwas zu wenig – sagt einmal Ingeborg Bachmann. Benedict wäre wohl kein seriöser Künstler und auch kein wahrhaftiger Ordensmann gewesen, hätte er nicht in sich selbst auch seine Begrenztheit gespürt, seine Unvollkommenheit, seine Sehnsucht und seine Unerfülltheit. Genau das ist es aber, das jeden Künstler zum Agieren treibt und jeden Ordensmann ständig neu aufbrechen lässt. – Sich selbst zu erfahren in der Schwebe des Lebendigen, im Schon und Noch nicht, im Wechselspiel von Verheißung und Erfüllung. Im Begehren und Lassen auch zu leiden, ist wohl die Unruhe jedes Künstlers und auch Ordenschristen, der immer wieder neu ans Werk geht, um von diesem Fühlen etwas in die Sichtbarkeit umzuwandeln. Andernfalls würde der Künstler wie der Ordensmann stehen bleiben – vielleicht sogar stecken bleiben – und man könnte sein frühes Werk von seinem späten Schaffen wohl nicht unterscheiden – den Weg letztlich nicht erkennen, den er zurückgelegt hat. Die Mosaike im Mittelgang dieser Kapelle gehören zu Benedicts ersten Gehversuchen. Er war in seinen späteren Jahren nicht besonders stolz darauf und doch zeigen sie, was in ihm von Anfang an lebte und sich entfalten wollte. Wahrscheinlich brauchte er dann die KIM-Bewegung, um vom aufbrechenden Geist der jungen Kirche für seinen inneren Weg und für seine Individuation inspiriert zu werden.

Als Benedict spürte, dass der Tempel seines Leibes durch eine beginnende schwere unheilbare Krankheit geschwächt, ja sogar einzustürzen drohte, begann für ihn die letzte Phase seines Reifens als Künstler und Ordensmann. Es war die Ars moriendi, die Kunst, das Sterben einzuüben, das letzte Loslassen von den vielen Spuren, die er durch seine Kunst und durch sein pastorales Engagement gezogen hat. Die Fähigkeit des Ausdrückens – malerisch und später auch verbal – versiegte mehr und mehr hinein ins sprachlose Dasein und Warten. Warten bis die Zeit reif war, den letzten Weg anzutreten oder besser den letzten Auftrag seines Lebens anzugehen, sein eigenes Lebensmosaik zu vollenden und keinem geringen als Gott zu übergeben. Wir sind jetzt da, weil wir fest daran glauben, dass Gott es mit Freude und Bewunderung annimmt und ihm – wie jedem Menschen – seinen besonderen Platz im Himmelreich anbietet, den Platz, der nur für ihn bestimmt ist. Amen.

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Eichstätt, 29.6.2015)