Predigt beim Requiem P. Bernhard Biermann (1 Kor 11,23-26; Mt 6, 7-14)

Mit ganzem Herzen – Mit ganzer Seele

Als P. Bernhards Augen aufgrund einer Netzhauterkrankung nicht mehr die Sehkraft aufbringen konnten, die er brauchte, um seine Pfarrerstätigkeit und die vielen anderen Aufgaben um diese herum WAHRNEHMEN zu können, entschloss er sich 2008 hierher nach Haus Overbach zu gehen, um da seinen Ruhestand zu verbringen. Es fiel ihm nicht leicht, sich von seinen vielgeliebten Pfarren in Hennef (Bödingen und Blankenberg) zu verabschieden. Aber er konnte nicht mehr Autofahren und auch das Lesen war für ihn zur Schwerstarbeit mit Vergrößerungsapparat und oftmaligen Brillenwechseln geworden. Der Abschied war schwer, denn Pfarrer war er mit Leib und Seele, aber nicht nur das – auch dem Schützenbrüderschaften und dem Karneval gehörten sein Herz. Und wir wissen, was P. Bernhard gemacht hat, das hat er ganz gemacht. Mit ganzem Herzen – mit ganzer Seele. Jesus sagt einmal: Wo dein Schatz ist, dort ist auch dein Herz. Und weil P. Bernhards Schatz die (Wallfahrts)seelsorge („Zur schmerzhaften Mutter“ in Bödingen) war und die darüber hinaus gehenden Aufgaben, war er eigentlich gar nicht oft bei Gemeinschafts-veranstaltungen unseres Ordens zu sehen. Damals hätte man sagen können: er lebte wie ein Eremit – oder wie ein Satellit – fernab von den Gemeinschaftszentren der Ordensprovinz, als hätte er seine Berufungsgeschichte vergessen, seine Ordenswurzeln, sein Nest, in dem er als Ordensmann und Priester aufgewachsen ist. Aber wer P. Bernhard genauer kannte, der wusste auch, dass ein Vergessen der Wurzeln seiner Berufung und seiner Zugehörigkeit zur Ordensfamilie für ihn unmöglich war. Denn er lebte förmlich aus seiner Biographie heraus. Das kam bei allem, was P. Bernhard sagte, zum Ausdruck: die Wurzeln seiner Familiengeschichte, die seinen Charakter bildeten und prägten, und genauso die Wurzeln seiner Ordensgeschichte, die sich nahtlos mit den Familienwurzeln verbanden. Schließlich war sein Onkel Stephan Oblate des hl. Franz von Sales und auch er war es, der ihn von seiner Heimat in Essen hierher nach Overbach gebracht hatte. Er war nicht nur sein Onkel, er war für ihn mehr:  so etwas wie ein Mentor seiner Berufung zum Ordensmann und Priester. Wenn P. Bernhard von Onkel Stephan sprach, da war eine ganz große Wertschätzung in Bernhard, die weit über das normale Verwandtschaftsverhältnis hinausging. In Overbach schließlich begann für P. Bernhard die Zeit seiner Ordensgeschichte, zunächst in der harten Nachkriegszeit, die niemanden verwöhnte, aber gerade dadurch den Zusammenhalt innerhalb der Schul- und Internatsgemeinschaft stark werden ließ. Die Schüler identifizierten und solidarisierten sich damals ja viel stärker als vielleicht heute mit dem Leben der Oblaten, die zuständig waren für das Haus, in dem sie lernten und lebten. Und diese Identifikation und Solidarität mit dem Orden hat P. Bernhard immer ganz tief in sich getragen. Deshalb wollte er auch für seinen Ruhestand dorthin, wo seine Berufung begonnen hat. Und hier in Haus Overbach lebte er dann seine Berufung zur Gemeinschaft – genauso hundertprozentig wie er in den Pfarren seine Berufung zum Priester und Seelsorger lebte. Seine eingeschränkte Bewegungsfreiheit, seine Sehbehinderung und seine Kreuz- und Gelenksschmerzen hinderten ihn niemals, sich da einzufinden, wo die Gemeinschaft sich traf. Das war eine ganz besondere Treue, sowohl beim Gebet und beim Gottesdienst wie auch in der Abendfreizeit, wenn er bei seinem Kölsch saß und ab und an von seinen großen Zeiten in Übach-Palenberg und Scherpenseel erzählte und später dann von Hennef-Bödingen, wo er sich als Pfarrer nicht nur für den Gottesdienst und die Sakramente zuständig fühlte, sondern auch für so manchen Familienkonflikt, den er dann aufgrund seiner Autorität zu schlichten vermochte. Für P. Bernhard veränderte sich in diesen letzten Lebensjahren vieles. Er sagte mir einmal: wenn ich auch nicht mehr aktiv sein kann, dann will ich für die Gemeinschaft und ihre Aufgaben beten. Das kann ich auch, wenn ich nicht mehr viel sehe. Ich habe das Herzstück der Bergpredigt, das „Vater unser“ symbolisch für P. Bernhard und sein Gebetsleben als Evangelium für seinen Auferstehungsgottesdienst gewählt. Und ich höre heute noch seine kräftige sonore Stimme, wenn er das Vater unser betete – und das war nicht nur einmal am Tag. Das war kein Plappern, kein Lippengebet, kein oberflächliches Herunterspulen eines Gebetes. Bei Bernhard war es Überzeugung – seine Überzeugung, dass das, was er von Kindheitstagen an von seinen Eltern und dann in seiner ganzen Glaubensgeschichte gelernt hat, … dass das, was in diesem Gebet des Herrn, im Vater unser gesagt wird,… dass das tiefste Glaubenswahrheit ist – ein Fundament, auf dem man das Haus des Christseins wie auf einen Felsen bauen kann. Wenn Bernhard dieses Gebet betete, da lag seine Seele auf seiner Zunge und auf seinen Lippen – wie bei so vielen Christen seiner Generation, die auf den Gebets- und Liedschatz der katholischen Volkskirche ihr Leben aufbauten und darin den Halt für ihre unerschütterliche Treue zur Kirche fanden. Wie im Himmel so auf Erden, geheiligt werde dein Name, unser tägliches Brot gib uns heute, und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir denen vergeben, die an uns schuldig geworden sind, und führe uns nicht in Versuchung … wie die Pfeiler eines Bauwerkes stehen sie an zentraler Stelle der Bergpredigt Jesu.
Genauso war auch P. Bernhards Priestersein. Als Ordensleute pflegen wir die tägliche Konzelebration der hl. Messe. Als Oblaten des hl. Franz von Sales betrachten wir die hl. Messe als die Sonne unseres geistlichen Lebens. Und das war sie für Bernhard tatsächlich. Kein Tag, an dem diese Sonne für ihn nicht aufging. Es gehörte zu seiner Identität, täglich bei der hl. Messe da zu sein und die Wandlungsworte, so wie wir sie vom hl. Paulus und der apostolsichen Tradition überliefert haben, zu sprechen. Das waren nicht nur Worte, das war er selbst. Das war authentisch, klar und deutlich, überzeugt und geerdet. Das war wie seine Grundmelodie, auf die er dann die Melodie des jeweiligen Tages aufbaute.

P. Bernhard hatte die letzten Monate ein sehr schweres Kreuz zu tragen. Als er sich im Januar nicht mehr auf den Beinen halten konnte und zusammenfiel, begann dieser Leidensweg, der ihn nicht mehr wieder hierher hat kommen lassen. Dazu dann noch der Virus, mit dem er sich infizierte und das monatelange Verweilen auf der Intensivstation. Das war wohl für ihn eine große Zeit der Läuterung. Er, der mit seiner stattlichen Figur beeindruckte, kam nicht mehr auf die Beine, musste sich seiner Bestimmung fügen lernen. Schließlich war sein Heimgang zu seinem Herrn und Meister eine Erlösung für ihn und alle, die sein Leid mittrugen. Jetzt hat er ausgelitten und geht seinem himmlischen Vater entgegen, der ihm am Tisch seines himmlischen Festmahls einen Platz anbietet. Ich bin überzeugt, dass Bernhard jetzt dort sein darf, woran er sein ganzes Leben in der Nachfolge Jesu geglaubt hat. Amen.

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS (Haus Overbach, 17.6.2015)