Predigt beim Requiem für P. Norbert Staab (Offb 21, 1-5a.6b-7; Mt 9, 16-17)
Ich sehe den Himmel offen
Obwohl der Tod von P. Norbert Staab für uns alle nicht überraschend war – schließlich war die Diagnose schon seit Wochen: „er geht jetzt langsam dem Tod entgegen“ – so möchte ich es mir doch erlauben, den konkreten Zeitpunkt des Sterbens von P. Staab einzuordnen. Denn schließlich ist es uns Menschen zueigen, alles, was passiert mit den anderen Dingen, die zur selben Zeit passieren, in Zusammenhang zu bringen. P. Staab´s Tod sowie der Tag seiner Begräbnis- und Auferstehungsmesse fällt in die Weihnachtsoktav hinein – also in diese Woche, in der die Menschen ganz tief beeindruckt sind von dem Geheimnis des Kommens Gottes in unsere Welt. Diese Zeit verwandelt jedes Jahr aufs Neue die Menschen, denn die Geburt des göttlichen Kindes, des Retters und Erlösers, macht uns offener und zugänglicher, erreichbarer für einen Gott, der nicht irgendwo im Himmel zurückgezogen lebt, sondern dessen Sehnsucht es ist, bei uns Menschen – mitten unter uns zu leben, damit wir unsere göttliche Würde immer mehr erkennen und auch annehmen. Was den Sterbetag betrifft, den 26. Dezember, so war es der Tag, an dem Stefanus bezeugt: Ich sehe den Himmel offen. Es liegt nahe, darüber nachdenken, welchen Himmel möglicherweise unser P. Norbert offen gesehen hat, als er sich ganz in die Hand unseres Gottes überlassen hat. Denn wenn unser Himmel etwas mit unserem Leben zu tun hat, d.h. wenn unser Himmel die Vollendung all dessen ist, was wir gelebt und ersehnt haben, aber in dieser Welt unvollkommen geblieben ist, dann kann ich mir vorstellen, dass P. Staab etwas gesehen haben kann, was der hl. Johannes in seiner Offenbarung schreibt: Es ist die heilige Stadt, das neue Jerusalem, das von Gott her aus dem Himmel herabkommt. Die heilige Stadt, das neue Jerusalem, ein Bild für die vollendete Kirche, die vollendete Gemeinschaft von Menschen, die voll von Gott sind, weil er, der Immanuel in ihrer Mitte wohnt – der Gott mit uns. Mir ist dieses Bild aus der Offenbarung gekommen, als ich an P. Staab gedacht habe und er vor meinem geistigen Auge noch einmal erschienen ist. P. Staab war ein Gemeindepriester durch und durch. Er sah sich zum Priester geweiht für die Menschen, für den Aufbau einer Gemeinschaft, die aus dem Glauben lebt – nicht für sich selbst. Sein Selbstverständnis als Priester – seine priesterliche Identität – kam aus der Gemeinde, aus der Pfarrgemeinde, die in ihrer Struktur ein Bild für die gesamte Kirche ist – im Zentrum die würdig gefeierte Liturgie der Eucharistie und der anderen Sakramente und daraus entspringend dann die vielen anderen Aufgaben und Missionen einer Pfarrgemeinde. Denn der Gottesdienst, die Liturgie hat nicht den Sinn, nur schön zu sein, ansprechend und feierlich. Sie muss über sich hinausgehen und die Gemeinde zum gelebten Christsein befähigen, das sich in den vielen Diensten manifestiert, die uns Jesus durch sein Leben gezeigt hat. Es sind Dienste der Liebe, der Integration, der Versöhnung und der Wertschätzung jedes Menschen. P. Staab war für mich als Priester überzeugt von dieser Kirche, die nur dann glaubhaft ist, wenn sie das auch ins Leben umsetzt, wovon sie predigt und was sie verkündet. Als Oblate des hl. Franz von Sales hatte P. Norbert dafür im Franz von Sales einen großartigen geistlichen Lehrer. Und ich glaube, dass gerade die Jahre seiner Ordensausbildung für sein pastorales (seelsorgerliches) Denken, das ihn dann Jahrzehnte als Kaplan und Pfarrer leitete und antrieb, von fundamentaler Prägung waren. Franz von Sales lebte aus dem festen Glauben, dass Gott in die Menschen verliebt ist, und dass er aus diesem Grund Mensch werden wollte. Franz von Sales war überzeugt, dass man mit Liebe und Wohlwollen, mit Wertschätzung und Anerkennung Gott viel mehr in unserer Welt verkörpern kann als mit Angstmache, mit Strenge und mit Strafe. Ich glaube, das war es auch, was P. Staab in seiner Art als Seelsorger und Pfarrer trotz so mancher Widerstände oder Kritik nicht hat abirren lassen von seiner Überzeugung, dass Kirche niemals eine starre, nach Gesetzen funktionierende Organisation sein kann, sondern immer nur ein Zusammenspiel von vielen individuellen Menschen, die wie in einem Orchester ihr Instrument nach ihren Noten spielen – und doch auf wunderbare Weise zusammenwirken. So wie jede einzelne Welle auch gleichzeitig das Meer ist, so ist jeder, der an der Gemeinde mitbaut, Kirche. In dieser Überzeugung baute P. Staab „sein“ St. Matthäus auf. Es war nicht sein Konzept, das ihn leitete, sondern sein tiefer Glaube an die Kirche, die ein neues Kleid im Zweiten Vatikanischen Konzil bekommen hat und das nicht zufällig immer wieder mit der Spiritualität des hl. Franz von Sales in Zusammenhang gebracht wurde und wird. Deshalb finde ich dieses Bild Jesu vom Neuen Stoff, den man nicht auf ein altes Kleid aufsetzt, so passend für dieses neue Stück Stoff „Kirche“, von dem das Konzil gesprochen hat. Dieses Konzil, in das sich P. Staab hineingelebt hat, das ihm aus der Seele gesprochen hat, hat die Zeichen der Zeit erkannt – hat erkannt, was die Aufgabe der Kirche ist: die Menschen dort abzuholen, wo sie sind. Und das Hasenbergl gab dazu genug Gelegenheit. Deshalb hielt auch P. Staab nie etwas davon, neuen Wein in alte Schläuche zu füllen. (Und als Pfälzer kannte er sich mit dem Wein aus!) So ging er oft auch überzeugt die Wege des neuen Stück Stoffes und ließ das alte Kleid liegen. Das war sein Markenzeichen. Als ich Anfang der 80er Jahre in Eichstätt studierte, galt P. Staab als ein aufgeschlossener und zeitgemäßer Pfarrer, als moderner Gemeindeleiter, der die alten Schläuche nicht für seinen Wein verwenden wollte. Und ich konnte mich dann selbst in einem Pfarrpraktikum von seiner konsequenten und geradlinigen Art überzeugen. Gerne denke ich an diese Zeit zurück. Nicht ohne Grund war er für die Ordensleitung ein Pfarrer, dem man die Neupriester anvertraute, damit sie eine gute und authentische pastorale Ausbildung bekamen und viele von ihnen sind heute noch dankbar für das, was P. Staab ihnen gelernt hatte. Vielleicht war P. Norbert als Mitbruder für uns Ordensleute nach außen hin nicht so in die Gemeinschaft integriert wie viele andere, und dennoch wusste er genau, zu welcher Familie er gehörte. Sein Pfarrhaus war ein offenes Haus für die Mitbrüder, ein Haus voller Gastfreundschaft – gepflegt und mit Stil. Dafür sorgte Frau Hillmann mit großem Einsatz. Ihr und allen, die sich vor allem in den letzten Jahren um P. Staab so liebevoll angenommen haben, möchte ich hier besonders danken. Für P. Staab hieß es trotz all diesem erfüllten Leben in den letzen Jahren, immer mehr Abschied zu nehmen von seinem Leben in der Pfarrei. Sein gesundheitlicher Zustand verlor an Stabilität, das anzunehmen ihm viel Demut abverlangte. Zuletzt habe ich P. Norbert im Pflegeheim St. Katharina Labouré gesehen. Seine engen Wegbegleiter waren auch da – und sie gaben ihm Sicherheit in den unsicheren Situationen, die für ihn zunahmen. Für P. Staab hat sich am 2. Weihnachtstag der Himmel geöffnet, er kann nun von der Quelle trinken, aus der das Wasser des Lebens strömt, wonach er durstig war, was er ersehnt hat. Er hat für den Neuen Stoff „Kirche“ gelebt und auch gelitten – seine Mission hat er authentisch gelebt, daher nicht neuen Wein in alte Schläuche gefüllt. Wir wollen ihm danken, dass wir alle mit ihm – länger oder kürzer – auf seinem Schiff, das sich Gemeinde nennt, mitfahren konnten und wir aus dieser Zeit vieles für unser heutiges Verständnis von Kirche lernen konnten. Danken möchte ich P. Johannes Haas, der sich gerade in den letzten Jahren so liebevoll um P. Norbert gekümmert hat, Frau Hillmann, die Weggefährtin von P. Staab, Familie Libossek, die auch in vielen Belangen treue Begleiter und Helfer waren, nicht zuletzt bei den Schwestern und KrankenpfelgerInnen des Pfegeheimes St. Katharina Labouré der Barmherzigen Schwestern in Unterhaching, bei der Stationsleiterin Schwester Barbara Pröls und ihrem Team auf der Station „Ehrenpreis“, schließlich bei allen, die P. Staab im Pflegeheim besucht haben und bei allen, die ihn im Gebet begleitet haben.
Mit dem Kommen Gottes in unser Menschsein sind auch wir Menschen in Gott hineingeboren. P. Norbert hat daran geglaubt, wir vertrauen darauf, dass er nun bei dem ist, der alles neu macht, der der Anfang und das Ende ist. Amen.
P. Thomas Vanek OSFS (Eichstätt, 30.12.2011)