Predigt beim Requiem für P. Franz Schaberger (Eph 2, 5-10; Mt 18,1-5)
Nehmt Gottes Melodie in euch auf
„Nehmt Gottes Melodie in euch auf“ – das schreibt der hl. Ignatius von Antiochien in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus. Nehmt Gottes Melodie in euch auf! Der hl. Ignatius soll der Legende nach das Kind gewesen sein, das Jesus in die Mitte seiner Jünger stellte und dazu sagte: Wenn ihr nicht umkehrt und wie die Kinder werdet, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen.
Die Melodie Gottes in uns und das Kind, das Jesus zum Prototyp des Reiches Gottes erklärt, sind mir in den Sinn gekommen, als ich die Persönlichkeit unseres P. Franz Schaberger und so wie ich ihn erlebt habe, jetzt nach seinem Heimgang immer wieder meditiert habe. Er hat die Melodie Gottes in sich aufgenommen, sie gehört und aus ihr heraus auch gelebt. Das traue ich mich ziemlich sicher von meinen Erfahrungen mit ihm zu behaupten. Das Bild des Kindes, das mir dazu gekommen ist, verbinde ich mit seinem Lachen, für das er bei den meisten Mitbrüdern bekannt war, für sein begeistertes Erzählen von der Welt, den Menschen, der Musik, der Kunst,… letztlich von allem, was er tagtäglich erlebte und was er beim Zusammensein in der Gemeinschaft erzählte. Dabei strahlten seine Augen. Und seine ganze Körpersprache unterstrich, wie der Humor und das Lachen befreien und beschenken können. Das ist kein unterdrücktes oder zwanghaftes Lachen gewesen, das war ein Lachen aus der Seele heraus – also so, dass der ganze Mensch in diesem Lachen vorkommt, nicht nur ein Teil von ihm. Das sagt man normalerweise nur von den Kindern. Denn sie haben nichts zu verbergen, sie können noch aus ganzem Herzen lachen und auch weinen und auch sagen, was ihnen auf dem Herzen liegt. Kinder sind authentischer als Erwachsene, daher erreichen sie unsere Herzen auch viel schneller und daher sind sie auch die Größten im Himmelreich, weil es bei ihnen eben nicht darauf ankommt, welche Karriere man unter wie viel Anstrengung im Leben gemacht hat, sondern wie man wirklich ist. Auch wenn das Dasein für P. Franz in den letzten Jahren mit viel Beschwerden und Anstrengung verbunden war, so war die Begegnung mit ihm immer von Freundlichkeit gezeichnet – Grant oder Verbitterung zeigte er in der Öffentlichkeit nie, obwohl er bestimmt aufgrund seiner vielen Altersbeschwerden Grund genug dazu gehabt hätte. Und ich hatte den Eindruck, dass er, obwohl er das Haus nicht mehr verlassen konnte, auch Freude daran hatte, sich schön gekleidet in der Gemeinschaft zu zeigen. All das sind Indizien, dass jemand Gottes Melodie in sich aufgenommen hat und sie tagtäglich hört. Es ist die Melodie, die Gott von Anfang an in den Menschen hineinkomponiert hat, die eine einzigartige Schöpfungsmelodie ist, die nur der Mensch hört, für den sie komponiert ist. Es ist eine kunstvolle und unheimlich faszinierende Melodie. Sie lässt den Menschen staunend vor Gott stehen – staunend über all die Schönheit, die Gott in unser Leben, in unsere Welt hineingelegt hat. P. Franz war ein Mensch, der für die Schöpfung als Komposition Gottes eine besondere Aufmerksamkeit hatte. Das mag auch ein Grund gewesen sein, warum er allen Umständen seines Lebens mit Freundlichkeit, Humor und Fröhlichkeit begegnen konnte. Ob das in seiner Jugend die Arbeit in der Landwirtschaft war, oder ob das nach dem Militärdienst im 2. Weltkrieg die verspätete Gymnasialzeit war, er sah das Leben und was es ihm abverlangte, mehr von der Licht- als von der Schattenseite. Wahrscheinlich fand er deshalb auch seine Resonanz im Optimismus und in der Weltoffenheit der salesianischen Spiritualität, zu der er sich schließlich zum Ordensmann und Priester berufen fühlte. Und ich erinnere mich daran, dass er, als er noch bei mitbrüderlichen Versammlungen dabei war, oft für seine positive Sicht vom Leben das Schlüsselwort „salesianisch“ gebraucht hat und dabei regelrecht ins Schwärmen gekommen ist. Im Salesianischen ist alles drin, was wir Christen brauchen und wie wir leben sollen: es ist die frohe Liebe zu Gott und den Menschen. Genauso haben die Menschen P. Franz erlebt: seine Schüler, die so manches aus seinen Unterrichtsstunden erzählen können, seine Pfarrgemeinden, die seine bescheidene und geerdete Umgangsart sehr schätzten, seine Bekannten und Freunde, denen er viel Zeit schenkte und die Menschen, denen er ein gütiger Beichtvater war.
Nehmt Gottes Melodie in euch auf! Die Musik war für P. Franz mehr als Unterhaltung oder Zeitvertreib. Ich hatte sogar den Eindruck, er hatte einen fast überirdischen Bezug zu dem, was Komponisten mit ihrer Musik ausdrücken wollten bzw. von sich selbst in ihre Musik hineingelegt hatten. Gerade in den letzten Jahren lebte P. Franz vor allem von der Musik. Sie war sein Zugang zur Weltseele, sein Zugang zu Gottes Wirken im schöpferischen Menschen. So war er in seinem Zimmer verbunden mit den Großen dieser Welt, mit der Kunst und der Kultur. Erst in den letzten Monaten seines Lebens schien es, als ob sich Dunkelheit über ihn breit gemacht hätte. P. Franz ist wegen der vielen Beschwerlichkeiten müde geworden und auch seine Lust am Leben ging immer mehr verloren. Seine Pflegerinnen haben das Gottseidank etwas abschwächen können. Trotzdem glaube ich, dass Gottes Melodie gerade in dieser düsteren Zeit, in der regelmäßige Krankenhausaufenthalte dazukamen, umso deutlicher in ihm selbst erklungen ist, seine ureigenste Lebensmelodie, die ihn als Diener des Reiches Gottes geführt hat und ihn jetzt auch das Himmelreich aufschließen möge. Ich möchte Gott danken, dass er P. Franz Schaberger in unsere Gemeinschaft berufen hat und P. Franz danken, dass er diesen Ruf gehört hat. Ich möchte P. Franz für all sein Wirken als Priester, Lehrer und Spiritual und für sein Mitbrudersein danken. Vor allem danken möchte ich ihm aber für sein Lachen, seine Fröhlichkeit, seine Liebeswürdigkeit und das salesianische Zeugnis eines freundlichen Menschen. Danken möchte ich zum Schluss noch allen, die sich in den letzten Jahren so liebevoll um P. Franz angenommen haben: den Pflegerinnen Ingrid und Martina, den Frauen und Männern des mobilen Pflegedienstes, den Mitbrüdern der Hausgemeinschaft Kaasgraben, den Menschen, die sich um P. Franz gekümmert und gesorgt haben. Nehmt Gottes Melodie in euch auf, dann steht das Himmelreich für euch offen. Amen.
P. Thomas Vanek OSFS (Wien, 20.4.2012)