Predigt zum Requiem von Pater Karl Reber (2 Kor 5,1.6-10; Mt 13, 44-48.52)
Schatz im Acker
Vielleicht sind solche Gleichnisse wie das vom Schatz im Acker oder von der kostbaren Perle gute Zugänge zum Leben und Denken unseres P. Reber. Vor allem, wie die Entdecker des Schatzes und der Perle in diesen Gleichnissen damit umgehen. Und das dritte Gleichnis von der Unterscheidung der guten und schlechten Fische im Netz mag uns zum Umgang mit den Dingen des alltäglichen Lebens hinführen, der bei P. Reber bedacht und überlegt war. Denn P. Reber war keiner, der vorschnell und überstürzt handelte, sondern er war einer, der zuerst alles gut und genau prüfte und durchdachte, unter die Lupe nahm, bevor er sich darüber äußerte bzw. sich dazu entschloss, es zu erwerben und in den Schatz seines Haushaltes hineinzunehmen. Und ich denke, das betrifft nicht nur seine Aufmerksamkeit und seine Vorliebe für Antiquitäten, für alte Bücher, Andachtsbildchen, Devotionalien, sondern das betrifft genauso seinen Charakter, sein Denken, seine Beobachtung der Wirklichkeit und seine Art, sie zu beschreiben. Das war zuweilen genauso gleichnis- oder bildhaft, was er dann in seinen messerscharfen Zitaten noch einmal ausdrückte. Und mir fallen da viele Szenen ein, in denen wir viel miteinander gelacht haben, weil die Hintergründigkeit seiner Aussagen und Vergleiche geschliffen und pointiert waren und fast literarischen Wert erreichten, …in denen Humor und Ironie miteinander spielten.
Als interessierter Leser und Student der Kirchengeschichte hatte P. Reber einen großen Wissensschatz, den er wie der Finder des Schatzes in dem Gleichnis Jesu klug und gezielt einsetzte. Er selbst erzählte mir, wie er hier in Pleystein es immer wieder geschafft hat, gerade die Männer, die oft nur zu einem Teil der Messe kamen, ehe sie sich verfrüht zum Frühschoppen begeben hatten, durch seine markanten und geschliffenen Predigten zum längeren Verweilen beim Gottesdienst bewegt hatte. Denn man wollte am Stammtisch dann schon wissen, was der Reber heute wieder gepredigt hat und es wäre peinlich gewesen, wenn man da nicht hätte mitreden können. Er holte eben geschickt Altes und Neues aus seinem geistlichen Schatz, beeindruckte so die Leute mit seinen Gedanken und brachte sie zum Nachdenken.
P. Reber war in seinem Grundcharakter ein eher zurückgezogener Mensch, sein Auftreten bescheiden und zurückhaltend. Es mag in seiner Kindheit gelegen haben, die von der Flucht vor der nationalsozialistischen Zudringlichkeit gezeichnet war und dem er nur durch das frühzeitige Verlassen seines Elternhauses entkommen konnte. Seine ruhige und manchmal vielleicht sogar melancholische Art war sicher auch der Grund, dass P. Reber viele Jahre seines Lebens in ordensinternen Diensten tätig war, nämlich weil so ein Mensch solche Dienste nicht als Zumutung sondern als sinnvolle Aufgabe sehen kann. Als Sekretär und Chauffeur des Provinzials, als Provinzarchivar, als Protokollant der unzähligen Provinzialratssitzungen machte er den Eindruck, dass er diese Arbeit genauso gerne verrichtete wie die Seelsorge in den Heimsuchungsklöstern oder hier in Pleystein. Da er keine kräftige Natur war, sondern eher zart besaitet, waren seine Stärken mehr das Musische und das Humanistische. Das ist es wohl auch, was ihn an der salesianischen Spiritualität angezogen hatte. Denn auch Franz von Sales war ein zart besaiteter Mensch, feinfühlig und einfühlsam. Selbst darin, das cholerische Aufbrausen in Sanftmut verwandeln zu lassen, war P. Reber ein guter Schüler des Franz von Sales. Gerade die letzten Jahre zeichneten ihn Gleichmut und Geduld aus, mit denen er die lange Zeit seiner Pflegebedürftigkeit hinnahm und aushielt. Seine Art, für Zuwendung zu danken, war ein Lächeln, mit dem er offensichtlich seine Freude trotz aller Mühsal und Beschwerde zeigte.
Um in diesem Gleichnis zu bleiben. P. Reber war der Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Die besonders wertvolle Perle war seine Entscheidung zum Ordenspriester. Ordensleute, die Jesus nachfolgen wollen, werden nicht zufrieden und glücklich, wenn sie ihren Weg nur halbherzig gehen. Denn dieser Weg wird nur dann sinnvoll, wenn man ihn ganz geht, andernfalls führt er zu einem unglücklichen und zerrissenen Leben. Das den Novizen, den Neulingen eines Ordens, klar zu machen, ist eine herausfordernde und verantwortungsvolle Aufgabe – zu lernen, den Schatz im Acker und die kostbare Perle zu erwerben und das gute vom schlechten zu unterscheiden. Novizenmeister in einer Umbruchszeit des Ordenslebens – das war wohl P. Reber´s schwierigste Zeit und doch bewirkte seine Noviziatsbegleitung, dass zwei seiner Novizen bis heute der Gemeinschaft der Sales-Oblaten treu sind.
Das irdische Zelt von P. Reber ist abgerissen, so wie Paulus den Tod beschreibt. Er ist aus dem Leib ausgewandert, um nun beim Herrn daheim zu sein. Es tröstet uns und macht uns zuversichtlich, dass wir daran glauben dürfen, eine Wohnung von Gott, ein nicht von Menschenhand errichtetes ewiges Haus im Himmel zu haben. Was wir glauben, das kann unser P. Reber nun bereits schauen. Danken möchte ich ihm, dass er sich für den Dienst am Reich Gottes hergegeben hat, dass er uns ein liebenswürdiger Mitbruder und Seelsorger war. Danken möchte ich auch allen, die ihn gerade in den letzten Jahren, in denen er immer pflegebedürftiger wurde, mit großer Liebe und Freundlichkeit begleitet und umsorgt haben. Er ist heimgegangen zum Vater. Den Schatz und die Perle, die er gefunden hat, hat er uns hinterlassen. Amen
P. Provinzial Thomas Vanek OSFS, Pleystein-Kreuzbergkirche, 18. August 2020