Predigt zum Osterfest (Joh 20,1-9)

Freude

„Gott ist der Gott der Freude“ (DASal 6,89) … Gerade an Ostern dürfen wir diese Aussage des heiligen Franz von Sales auf besondere Weise erleben:

Versetzen wir uns in die Situation der Jüngerinnen und Jünger von damals: ihre Welt, ihr Leben, alles, was ihnen Sinn, Hoffnung und Zukunft gegeben hat, ist innerhalb von nur vierundzwanzig Stunden völlig zusammengebrochen. Jesus – der alles für sie war – wurde verurteilt, gekreuzigt, ins Grab gelegt. Ein Stein besiegelt das Ende aller Hoffnungen: alles ist aus, alles ist tot.

Für die Jüngerinnen und Jünger bedeutete das Trauer, Angst, Verzweiflung, Schmerz, Leid, Hoffnungslosigkeit, Elend, Not, Trübsal, Bitterkeit und Tränen.

Sie wollen sich nur noch verstecken, nichts mehr sehen und hören. Alles ist egal, nichts mehr hat einen Sinn. Jede Lebensenergie ist zerstört. Punkt. Aus.

Und plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, ist alles anders: Der Stein vor dem Grab ist nicht mehr da. Das Grab ist leer. Das ist doch nicht möglich, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Es kommt Bewegung in die Jünger: Maria Magdalena rennt, die Frauen rennen, Petrus rennt, Johannes rennt, die anderen Jünger rennen. Sie wollen sehen, was da passiert ist – und es ist wahr: kein Stein, kein toter Jesus, ein leeres Grab, nur noch die Leinenbinden und das Schweißtuch.

Und endlich begreifen sie: „Sie sahen und glaubten“: Jesus ist nicht tot, er lebt. Das Leben ist nicht aus, es beginnt. Gott ist nicht ein Gott der Toten, er ist der Gott der Freude. Er räumt die Steine, die das Leben behindern, weg. Die ganze Welt stimmt ein in den ewigen Osterjubel: Halleluja, Jesus lebt.

Der heilige Franz von Sales hat einmal versucht, diese unbändige Osterfreude, die sich da über die ganze Welt ausbreitete, in Worte zu fassen. Was er da geschrieben hat, das lässt sich vor lauter Überschwang fast nicht vorlesen, bringt jedoch gerade deshalb zum Ausdruck, wie groß, überragend, unbeschreiblich die Osterfreude ist. Er vergleicht jedenfalls die Osterfreude mit dem vielfältigen Klang eines großen Orchesterkonzerts:

„Welche Seligkeit,“ so schreibt er, „diesen Melodien … zu lauschen, in denen durch ein wohlklingendes Sichverschmelzen verschiedenartiger Stimmen und verschiedenklingender Töne jene wunderbaren Harmonien entstehen, in denen die einzelnen Partien einander überholend in nicht absetzenden, sich gegenseitig jagenden, nicht leicht verständlichen Folgen, doch alle einmünden in ein von überall her tönendes, zusammenklingendes, laut schallendes, ewiges Alleluja!

So kraftvoll sind diese Stimmen, dass sie mit Gewittertosen und Trompetenschall (Offb 19,6) und mit dem Donner stürmischer Meereswogen verglichen werden. Sie sind aber dabei so lind und lieblich, dass ihr Singen auch mit Harfenspiel verglichen wird, wenn Meisterhände ihr zarte und süße Töne entlocken. Und alle diese Stimmen klingen zusammen im frohen Ostergesang: Alleluja, lobet Gott, Amen, lobet Gott! (Offb 14,2; 19,1.6).“ (DASal 3,260-261)

Kurz: die Osterfreude, die im Himmel und in der ganzen Welt herrscht, ist einfach unbeschreiblich und mit Worten allein nicht zu erfassen.

„Gott ist ein Gott der Freude“ … Wenn wir wirklich an diese unbändige und unbeschreibliche Freude glauben, die der Ostermorgen auslöst, dann bleibt uns eigentlich nichts anderes übrig, als diese Freude weiter zu schenken an alle Menschen, denen wir begegnen, also wie die Jüngerinnen und Jünger hinauszugehen in die Welt und zu sagen: Halleluja, Jesus lebt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS