Predigt zum Hochfest Maria Empfängnis (Lk 1, 26-38)

Der Plan Gottes

Gott hat von Ewigkeit her geplant, dass er Mensch werden will – und zu diesem Plan gehört es, dass er sich unter den Menschen auch eine Wohnung vorbereitet, die frei ist von jeder Sünde – und diese Wohnung ist die Gottesmutter Maria.

So in etwa beschreibt unser Pfarrpatron Franz von Sales das heutige Hochfest der „ohne Erbsünde empfangenen Jungfrau und Gottesmutter Maria“. Kein anderes Fest im Kirchenjahr zeigt uns deutlicher, dass Gott einen genauen Plan hat – früher nannte man diesen Plan Gottes „Vorsehung“.

Wenn wir uns also der göttlichen Vorsehung überlassen, dann setzen wir unser ganzes Vertrauen darauf, dass Gott einen genauen Plan hat – und dass dieser Plan das Beste ist, was uns passieren kann, weil Gott Liebe ist.

Das wird vor allem in den Worten des heutigen Evangeliums deutlich. Der Engel Gabriel begrüßt Maria mit den Worten: „Du Begnadete, der Herr ist mit dir“. Maria, du bist begnadet, du bist voll der Gnade. Das bedeutet: Maria, Gott hat dich reich beschenkt. Du bist von Gott von Anfang an auf einzigartige Weise geliebt. Gott möchte mit dir seinen Plan verwirklichen, ganz Mensch zu werden, damit die Menschen spürbar die Liebe Gottes erfahren können. Durch dich soll Gott Mensch werden mit einem bestimmten Namen, nämlich Jesus – und das heißt: Gott ist das Heil, das Glück für die Welt. Dazu brauche ich aber deine Zustimmung, dein freies Ja, denn ohne Freiheit ist Liebe nicht möglich.

Das heutige Hochfest macht uns also auch deutlich, was Gottesbeziehung bedeutet … Gottesbeziehung ist kein Abhängigkeitsverhältnis wie zwischen Herr und Diener, Gottesbeziehung ist auch nicht irgendein philosophisches Nachdenkprojekt intellektuellen Forschens, Gottesbeziehung bedeutet Freundschaft, bedeutet Liebe – ist eine Herzensangelegenheit, der Austausch der geschenkten Herzen: Gott schenkt mir sein Herz, seine Liebe – und sehnt sich danach, dass auch ich ihm mein Herz, meine Liebe aus ganz freien Stücken schenke.

Das gilt nicht nur für Maria, das gilt für jeden Menschen. Mit jedem Menschen hat Gott einen Plan, zu jedem Menschen sagt Gott: Ich liebe dich – und ich sehne mich danach, dass du mir deine Liebe schenkst.

Das Großartige an Maria war, dass sie dem Plan Gottes zugestimmt und sein Angebot angenommen hat, obwohl sie es eigentlich nicht verstanden hat. Aber sie hat vertraut: „Ich bin die Magd des Herrn; mir geschehe, wie du es gesagt hast.“

Es mag durchaus sein, dass der eine oder die andere mit so mancher Form der Marienfrömmigkeit nichts anfangen kann. Das heutige Fest jedoch zeigt uns ganz deutlich, dass am Beginn der christlichen Heilsgeschichte, am Beginn der Menschwerdung Gottes, am Beginn jenes göttlichen Planes also, der die Welt und seine Geschichte von Grund auf verändert hat, eine Frau steht, die dem unbegreiflichen Gott vertraute – und zu dessen Plänen JA sagte, weil sie die Sehnsucht Gottes spürte, dem Menschen seine ganze Liebe schenken zu wollen.

Die Erbsünde – also die Ur-Sünde des Menschen besteht darin, Gott zu misstrauen, zu meinen: Gott will mir Böses, mich knechten. Wenn ich mich ihm ganz überlasse, dann werde ich unglücklich. Genau das versucht uns der Teufel ständig einzureden … Halte dich von Gott fern, geh deinen eigenen Weg, dann hast du es besser. Genau dagegen steht Maria: Wer Gott vertraut, wer sich ihm ganz schenkt, wer seinen Plänen mit einem freien Ja zustimmt, der wird glücklich werden, oder wie Franz von Sales sagt: „Selig die Menschen, die nach dem Willen Gottes ihren Weg gehen und ihn von ganzem Herzen suchen“ (DASal 5,268). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS