Predigt zum Fest Verkündigung des Herrn (Lk 1,26-38)

Erfolgsrezept: Demut und Hingabe

ich habe einmal ein wenig darüber nachgeforscht, was denn Franz von Sales vom heutigen Fest und dem Evanglium von der Verkündigung des Herrn beeindruckt hat. Dabei fällt auf, dass er einen Aspekt sehr häufig erwähnt, nämlich die Demut und Hingabe Marias.

Der Engel des Herrn begrüßt Maria mit den Worten „Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir.“ Für Franz von Sales ist dies die höchste Auszeichnung, die Gott einem Geschöpf geben kann: Du bist voll der Gnade, Gott ist mit dir.

Und wie reagiert Maria auf diese hohe Auszeichnung: Sie erschrickt, versteht nicht, was dieser Gruß zu bedeuten habe, und nach den klärenden Worten des Engels antwortet sie nicht mit Stolz über ihre Erwählung oder Berufung, sondern bekennt in aller Demut: „Ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Dieses demütige Verhalten auf eine so große und einzigartige Erwählung Gottes hat Franz von Sales so sehr beeindruckt, dass er es zum Vorbild für unser Verhalten Gott gegenüber machte. Genau so, meint er, genau so wie Maria sollen wir uns Gott gegenüber verhalten.

Ein jeder Mensch darf sich als ein von Gott einzigartig geliebtes Geschöpf betrachten. Er darf sich von Gott begnadet wissen, also reich beschenkt, und er darf sich durch die Taufe – oder auch durch die Ordensprofess – von Gott auserwählt und berufen fühlen, in dieser Welt am Aufbau seines Reiches mitzuwirken. Unsere Antwort auf dieses Geliebtsein, Beschenktsein und Auserwählt- und Berufensein ist die demütige Erkenntnis: „Ich bin die Magd / der Knecht des Herrn“ und die vertrauensvolle Hingabe an seinen göttlichen Willen: „Mir geschehe, wie du gesagt hast.“

Demut und Hingabe – als vorbildliches Verhalten des Menschen Gott gegenüber. Zwei alte, angestaubte Begriffe, die kaum noch jemand versteht, geschweige verwendet. Für Franz von Sales sind sie allerdings nicht nur das Erfolgsrezept für eine gelungene Gottesbeziehung, sondern auch für ein erfülltes, glückliches Leben überhaupt. Das demütige Festhalten an Gott, selbst in seiner Unbegreiflichkeit und Unverständlichkeit, hat Maria ihr Ziel erreichen lassen, ihre Aufnahme in den Himmel.

Wenn wir also das heutige Fest der Verkündigung des Herrn im Sinne des heiligen Franz von Sales feiern wollen, dann sind wir vor die Herausforderung gestellt, herauszufinden, was es für mich und mein konkretes Leben hier und jetzt bedeutet, mich von Gott geliebt und beschenkt, berufen und auserwählt wissen zu dürfen, und vor allem, was es bedeutet, auf dieses Wissen mit Demut und Hingabe zu antworten.

Gut, dass es das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ gibt, denn dort konnte man vor drei Jahren in einer ganzen Artikelserie lesen, dass nach Wirtschaftskrise, Finanzskandal, Politikerverdrossenheit, Werteverlust, Missbrauchsskandal, Ökokrise, Flüchtlingskrise und Terrorgefahr ein Rezept für gelingendes Leben plötzlich wieder ganz oben steht: nämlich die Demut. Behauptet wurde das von einem Fußballprofi, einem Politiker und einem Protestsänger. Die sagen das ganz selbstverständlich: ohne Demut werden wir verlieren, ohne Demut kracht unsere Gesellschaft früher oder später zusammen, ohne Demut wird es keine Freiheit geben. Natürlich hat man auch einen Bischof gefragt, Franz-Josef Bode von Osnabrück und der hat dann an die Prostratio erinnert, die wir alle durch die Profess, Diakon- oder Priesterweihe kennen. „In diesem Akt“, so sagte er, „liegt das Bewusstsein, dass wir ganz mit dem Boden verbunden sind und klein sind vor Gott, der uns berufen hat, aber auch klein vor den Menschen, für die wir Verantwortung übernehmen.“

Und gut, dass es Yoga gibt. Denn dort lernen die Menschen von ihren Meistern ganz selbstverständlich „Bhakti“ … und das bedeutet nichts anderes als Hingabe als ein Erfolgsrezept für ausgeglichenes, in sich ruhendes Sein vor der Allmacht Gottes, die jede Vernunft und jeden Verstand übersteigt. Erlernt wird diese Hingabe, in dem ich lerne, ganz im Hier und Jetzt zu leben, und vor allem im Loslassen und im vertrauensvollen Hineinfallenlassen in die Gottheit.

Ich glaube, wir brauchen uns heute nicht mehr davor zu drücken, diese beiden Begriffe – Demut und Hingabe – als salesianische Erfolgsrezepte für ein gelungenes Leben wieder in den Grund-Wortschatz unserer salesianischen Familie aufzunehmen.

Das heutige Fest Verkündigung des Herrn könnte ein Ansporn sein: „Ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe wie du gesagt hast.“ – In Demut und Hingabe weiß ich mich von dir Gott, geliebt und reich beschenkt – und ich überlasse mich ganz deinem Willen, dem ich vertraue. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS