Predigt zum Fest Verklärung des Herrn (Mt 17,1-9)

Heilsamer als die Sonne

„Der Schatten Gottes“, so schreibt Franz von Sales in einem seiner zahlreichen Briefe, dieser Schatten Gottes „ist heilsamer als die Sonne“ (DASal 6,160). In Zeiten des Hochsommers und bei brütender Hitze ist uns eine solche Aussage durchaus zugänglich. Wenn die Sonne herunterbrennt, alles ins Schwitzen bringt und die Erde ausdorrt, dann ist so ein kühles Plätzchen im Schatten wahrlich eine Wonne.

Was Franz von Sales uns allerdings mit seiner Aussage wirklich deutlich machen will, ist die Größe und Herrlichkeit Gottes, die wir uns immer wieder vor Augen halten sollten, vor der wir unsere Knie beugen, die wir anbeten, loben und preisen. Nichts, nicht einmal die alles beherrschende Sonne, kann unserem Gott das Wasser reichen … sein Schatten allein ist der Sonne bei weitem überlegen. Daher empfiehlt Franz von Sales seiner Leserin: „Gehen sie ihren Weg immer ganz nahe bei Gott“ (DASal 6,160).

Das heutige Fest – die Verklärung des Herrn – möchte uns ebenso die Größe und Herrlichkeit Gottes vermitteln. Jesus geht mit Petrus, Jakobus und Johannes auf einen hohen Berg – und dort wird er verwandelt: sein Gesicht leuchtet wie die Sonne, so schildert es der Evangelist Matthäus, seine Kleider werden blendend weiß wie das Licht. Neben Jesus erscheinen die größten Persönlichkeiten der Geschichte Israels und unterhalten sich mit ihm: Mose und Elija. Die Jünger sind überwältigt. Sie wollen drei Hütten bauen, um diesen Glanz, den sie da erleben dürfen, für immer genießen zu können. Dann erscheint eine leuchtende Wolke und wirft ihren Schatten auf sie. Und eine Stimme ruft: „Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.“ Die Jünger bekommen Angst und werfen sich auf den Boden. Jesus aber sagt zu ihnen: „Habt keine Angst. Steht auf!“

Es ist ein unfassbares Ereignis, das uns da in mehr oder weniger verständlichen Bildern und mit mehr oder weniger deutlichen Worten die Größe, Macht und Herrlichkeit Gottes vor Augen halten will, und natürlich die Tatsache, dass Jesus Christus diese Macht und Herrlichkeit in sich trägt, dass man auf ihn hören soll, dass man davor keine Angst zu haben braucht, dass diese Herrlichkeit jedoch all unsere Vorstellungskraft übersteigt.

In seinem theologischen Hauptwerk „Abhandlung über die Gottesliebe“ schreibt Franz von Sales: „Wir sagen: Gott ist gütig, weise, allmächtig, wahrhaftig, gerecht, heilig, unendlich, unsterblich, unsichtbar. Das ist auch richtig, denn Gott ist das alles, weil er mehr als das alles ist; das heißt, er ist es auf eine so reine, so unvorstellbar erhabene Weise, dass er in der höchst einfachen Vollkommenheit seines göttlichen Wesens die Machtfülle, Kraft und Erhabenheit aller Vollkommenheit besitzt.“ Für Franz von Sales bedeutet das: „Unser Geist ist zu schwach, einen Gedanken zu formen, der eine so unermessliche Herrlichkeit darzustellen vermöchte“ (DASal 3,99).

Es wundert also nicht, dass die Jünger auf diesem hohen Berg der Verklärung große Angst bekamen. Aber nicht die Angst ist die große Gefahr des Glaubens, sondern die Versuchung, Gott klein zu machen, ihn unserer Logik, unserer Denkfähigkeit anzupassen, um Gott fassbar zu bekommen. Die große Gefahr des Glaubens besteht darin, drei Hütten zu bauen, wie das Evangelium meint, um Gott und sein Größe für immer in den Griff zu bekommen und festhalten zu können.

Das Fest Verklärung des Herrn möchte uns von dieser Gefahr befreien. Lassen wir Gott seine Größe und diese Größe heißt eben Unbegreiflichkeit. Und wenn wir dann den Berg wieder hinabsteigen, also den Weg in unser alltägliches Leben gehen, dann soll uns diese Unbegreiflichkeit begleiten, eine Unbegreiflichkeit, von der Franz von Sales überzeugt ist, dass sein Schatten heilsamer ist als die Sonne. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS