Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Spr 9,1-6; Eph 5,15-20; Joh 6,51-58)

Die Evolution Gottes

Als Wissenschaftler begannen, von der „Evolution“ zu sprechen, gab es bei den christlichen Theologen einen Aufschrei. Das ist Gotteslästerung. In der Bibel steht genau beschrieben, wie die Welt erschaffen wurde, da gibt es nichts zu rütteln.

Die Theologie hat Gott sei Dank dazu gelernt und festgestellt, dass die Evolutionstheorie durchaus mit dem Verständnis der Bibel vereinbar ist, auch wenn es immer noch eine kleine Splittergruppe gibt, die so genannten Kreationisten, die das verneinen.

Das heutige Fest „Aufnahme Mariens in den Himmel“ ist eigentlich die dogmatische – also lehramtliche Bestätigung für die Evolution. Das heutige Fest macht uns nämlich deutlich: Gott hat von Anfang an oder von Ewigkeit her einen Plan mit seiner Schöpfung, mit den Menschen. Diesen Plan nennen wir die „göttliche Vorsehung“, man könnte dazu aber auch Evolution sagen.

In der heutigen Lesung aus dem Buch der Sprichwörter steht der schöne Satz: „Die Weisheit“ – damit ist Gott gemeint – „hat ihr Haus gebaut“. Gott weiß, wie er dieses Haus haben will und was er damit bezweckt. Den Unwissenden sagt er: „Lasst ab von der Torheit … geht auf dem Weg der Einsicht.“ Also: Haltet euch an den Plan Gottes für sein Schöpfungshaus.

Der heilige Franz von Sales hat diese Evolution Gottes, seinen göttlichen Plan schon vor vierhundert Jahren begriffen:

„Von Ewigkeit her“ sagt Franz von Sales, „besaß Gott die ‚Kunst‘, die Welt zu seiner Verherrlichung zu erschaffen.“ (DASal 3,105). So schuf er den Himmel und die Erde, die Engel und die Menschen. Und er beschloss, sich mit der menschlichen Natur zu vereinen. Um diesen Plan Wirklichkeit werden zu lassen, hätte er viele Möglichkeiten gehabt. Er aber wollte, dass dies durch Maria geschieht. So schreibt Franz von Sales: „Aus allen Frauen aber, die er dazu auserwählen konnte, erkor er die hochgebenedeite Jungfrau, Unsere liebe Frau, durch die unser Erlöser nicht nur Mensch, sondern ein Glied des menschlichen Geschlechtes werden sollte.“ (DASal 3,109)

Und dieser Plan Gottes, diese Evolution der Schöpfung ist noch nicht zu Ende. Durch das heutige Fest erhalten wir allerdings einen ersten Einblick davon, was das Ziel der gesamten Schöpfung ist: die Vollendung in der ewigen Gegenwart des liebenden Gottes. Maria, so glauben wir, hat dieses Ziel, auf das wir alle unterwegs sind, bereits erreicht. Genau das feiern wir mit dem heutigen Fest ihrer Aufnahme in den Himmel.

Die Aussagen Jesu aus dem heutigen Evangelium zeigen uns den Weg zu diesem Ziel: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist … wer von diesem Brot ist wird in Ewigkeit leben …. Wer mein Fleisch ist und mein Blut trinkt, bleibt in mir und ich in ihm. Er wird leben in Ewigkeit.“

Der Jesuit Teilhard de Chardin hat so wie Franz von Sales die Lehre der Evolution mit dem Schöpfungsplan Gottes vereint und er nennt Jesus Christus den „Omega-Punkt“. Jesus Christus ist das Ziel, auf den die ganze Schöpfung zustrebt. In ihm werden wir leben in Ewigkeit.

Darum fordert uns der Apostel Paulus in seinem Brief an die Epheser auch dazu auf: „Achtet sorgfältig darauf, wie ihr euer Leben führt … seid nicht unverständig, begreift, was der Wille des Herrn ist. Lasst in eurer Mitte Psalmen, Hymnen und geistliche Lieder erklingen, singt und jubelt aus vollem Herzen den Herrn. Singt Gott, dem Vater, jederzeit Dank für alles im Namen unseres Herr Jesus Christus!“

Das tun wir heute, so gut wir können. Wir loben und preisen Gott für seinen Schöpfungsplan, der sich in seiner Mutter Maria bereits vollendet hat. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS