Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt (Lk 1,39-56)

Die weibliche Seite unseres Glaubens

Freuen wir uns über jeden Marienfeiertag, den wir feiern können … und es gibt sehr viele davon, nicht nur das heutige Fest der „Aufnahme Mariens in den Himmel“. Marienfeste machen uns nämlich auf die weibliche Seite unseres Glaubens aufmerksam. Es geht nicht nur um den Vater, sondern auch um die Mutter, nicht nur um den Sohn, sondern auch um die Tochter, nicht nur um den Mann oder den Knecht, sondern auch um die Frau und die Magd. Wir erleben in unserem Glauben, das junge Mädchen, das sich ganz in den Dienst Gottes stellt, obwohl sie es nicht versteht und begreift. Wir erleben die Schwangere, die sich zu ihrer ebenfalls schwangeren Verwandten Elisabeth aufmacht, um ihr beizustehen … wir erleben nicht nur Solidarität und Fürsorge, sondern auch die profetische Gabe des revolutionären Magnificat: „Meine Seele preist die Größe des Herrn … die Mächtigen stürzt er vom Thron … und erhöht die Niedrigen.“ Eine Frau wird seliggepriesen über alle Geschlechter.

Und wir erleben Maria als Mutter, die den Sohn nicht versteht und trotzdem sagt: „Was er euch sagt, das tut“. Wir erleben ihren Mut und ihre Treue am Kreuzweg und unter dem Kreuz. Ihren Schmerz, als sie den Leichnam ihres Sohnes in Händen hält und begraben muss … und schließlich erleben wir eine Frau im Zentrum der Apostel, im Abendmahlssaal in Jerusalem versammelt im Gebet und getragen von der gemeinsamen Hoffnung auf die Sendung des Heiligen Geistes.

Das heutige Fest „Maria Himmelfahrt“ wird von der Kirche seit Jahrhunderten gefeiert, um uns allen deutlich zu machen, dass all diese Elemente in der Lehre des Christentums nicht nur sehr wichtig sind, sondern einen überaus hohen Stellenwert besitzen: der von Herzen kommende Lobpreis Gottes, die Hingabe an diesen unbegreiflichen Gott, Treue und Ausdauer, Solidarität und Fürsorge, Gebet und Hoffnung über Leid und Tod hinaus, … und der ständige Hinweis auf Jesus Christus: „Was er euch sagt, das tut!“

Maria ist keine Göttin, nein – das wäre ganz falsch und würde ihren Wert für uns nur verkleinern. Sie ist vielmehr eine von uns, von der wir gerade deshalb sehr viel lernen können. Die Herausforderungen, die das Leben mit sich bringt, können durchgestanden werden … schaut mich an, so sagt uns Maria, ich habs auch geschafft, mit meinem Vertrauen in Gott und seine Liebe.

Der heilige Franz von Sales war fasziniert von diesem Gedanken, dass Maria selbst in den trostlosesten Stunden ihres Lebens am Gott der Liebe mit ganzer Kraft festgehalten hat. Selbst unter dem Kreuz und mit ihrem toten Sohn in den Armen hielt sie an der Hoffnung fest, dass das jetzt nicht alles sein kann … es muss noch etwas kommen, es muss nach der Finsternis des Todes einen Auferstehungsmorgen geben.

Deshalb, so schreibt Franz von Sales in der „Abhandlung über die Gottesliebe (Theotimus)“ ist sie „die Tochter der unvergleichlichen Liebe, die ganz einzige Taube, die ganz vollkommene Braut (Hld 6,8). Von dieser himmlischen Königin kann ich nur aus der Tiefe meines Herzens diesen liebevollen, aber ganz wahren Gedanken aussprechen, dass ihre Liebe wenigstens gegen das Ende ihres Lebens die der höchsten Seraphim weit übertraf. … Alle Heiligen und Engel werden mit den Sternen des Himmels verglichen und der erste unter ihnen mit dem schönsten Stern (1.Kor 15,41; Jes 14,12), Maria aber ist schön wie der Mond. Sie ist die Auserwählte, sie ragt unter allen Heiligen hervor wie die Sonne unter den Gestirnen (Hld 6,9). Und mehr noch! So wie die Liebeshingabe dieser ‚Mutter der schönen Liebe‘ an Vollkommenheit die Liebe aller Himmelsbewohner übertrifft, so glaube ich, hat sie diese auch in der Ausübung der Liebe übertroffen und zwar sogar, als sie noch auf Erden weilte.“ (DASal 3,182)

Sind wir also dankbar für jedes Marienfest, das wir feiern dürfen und erinnern wir uns daran, dass es in dem berühmten Mariengebet heißt: „Gedenke, o mildreichste Jungfrau Maria, niemals ist es gehört worden, dass du jemand verlassen hättest, der zu dir seine Zuflucht nahm“. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS