Predigt zum Fest Maria Heimsuchung (Lk 1,39-48.56)

Meine Seele preist die Größe des Herrn

Die Verehrung der Gottesmutter Maria spielt im Leben der heiligen Johanna Franziska von Chantal und des heiligen Franz von Sales eine sehr zentrale Rolle.

Johanna Franziska von Chantal war erst ein Jahr alt, als ihre Mutter starb. Sie wurde dann von einer Tante erzogen, die ihr allerdings die Mutter nicht ersetzen konnte. So wählte sie sich die Gottesmutter Maria zu ihrer Mutter, zu der sie jederzeit kommen konnte, die immer für sie Zeit hat und der sie alles anvertrauen konnte. Dieser Überzeugung war sie auch noch am Ende ihres Lebens, als sie in einem Brief schrieb:

„Auf die Fürbitte der allerseligsten Jungfrau, so scheint es mir, gibt mir die göttliche Güte mehr Durchhaltevermögen.“

Also: Zusammen mit der Gottesmutter Maria ist es leichter, das Leben mit all seinen Herausforderungen zu bestehen.

Der heilige Franz von Sales war achtzehn Jahre alt, als er in einer schwere Lebens- und Glaubenskrise geriet. In dieser Krise, die ihn so schwer traf, dass er auch körperlich krank wurde, schleppte er sich in eine Kirche zu einer Marienstatue, die noch heute „Unsere Liebe Frau von der guten Erlösung“ genannt wird. Dort betete er das so genannte „Memorare“-Gebet also: „Gedenke, gütigste Jungfrau Maria, man hat es noch niemals gehört, dass jemand, der zu Dir seine Zuflucht nahm, deine Hilfe anrief, um deine Fürsprache flehte, von dir verlassen worden sei.“ Und tatsächlich, genau dort, bei der Gottesmutter Maria von der guten Erlösung, fand Franz von Sales aus seiner Krise heraus, genau dort entdeckte er den Gott der Liebe und das Gottvertrauen, also seinen Glaubensweg, für den er bis heute berühmt ist.

Jahre später werden beide Heilige gemeinsam eine Ordensgemeinschaft gründen, die wir unter dem Namen „Salesianerinnen“ kennen. Der offizielle Name dieser „Salesianerinnen“, der von den beiden ausgewählt wurde, lautet aber: „Schwestern von der Heimsuchung Mariens“. Damit wollten die beiden Heiligen nicht nur ihre besondere Marienverehrung zum Ausdruck bringen, sondern auch auf einen ganz wichtigen Aspekt dieser Marienverehrung aufmerksam machen. Beim biblischen Ereignis der Heimsuchung Mariens geht ja die Gottesmutter Maria zu ihrer Verwandten Elisabeth, um ihr in den letzten Monaten ihrer Schwangerschaft beizustehen. Und bei ihrer Begegnung entsteht das Magnifikat, also der Lobpreis Gottes: „Meine Seele preist die Größe des Herrn.“

Genau das ist es, was uns Johanna Franziska von Chantal und Franz von Sales mit ihrer Ordensgründung nahebringen wollten: Schaut auf Maria, wie sie zu Elisabeth geht! Sie ist hilfsbereit, sie sieht die Not der Menschen und durch diese Nächstenliebe wird Gott gepriesen. Nächstenliebe und Gottesliebe gehören zusammen, das eine kann vom anderen nicht getrennt werden. Wer Gott liebt, liebt den Nächsten, wer den Nächsten liebt, liebt Gott. Maria ist dafür das Vorbild und Musterbeispiel für das Leben aller Christinnen und Christen.

Salesianisch Leben, also leben im Geist dieser beiden Heiligen, bedeutet deshalb Leben in der Gegenwart des liebenden Gottes in allem, was wir tun … und das auf eine liebenswürdige Art und Weise, sodass die Menschen, denen wir begegnen, die Größe und Herrlichkeit dieser Liebe Gottes erfahren und spüren können.

Wer Maria verehrt, der wird stets darauf Acht geben, dass durch ihn und sein Verhalten Gott gepriesen wird, und die Menschen damit die Liebe Gottes erfahren und spüren können. So wie Maria in der Begegnung mit ihrer Verwandten Elisabeth, aber auch bei der Hochzeit von Kanaa, wo Maria darauf hinweist: „Was mein Sohn Jesus euch sagt, das tut!“ Oder unter dem Kreuz, im Leiden, am Grab … und schließlich im Abendmahlssaal, wo sie mit den anderen Jüngerinnen und Jüngern zusammen betet und das Kommen des Heiligen Geistes erwartet. Immer geht es um den Lobpreis Gottes, der von ihr ausstrahlt. „Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott meinen Retter. Denn auf die Niedrigkeit seiner Magd hat er geschaut. Siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.“ Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS