Predigt zum Fest Christi Himmelfahrt (Lk 24,46-53)
Zum Himmel empor
„Während er sie segnete, wurde er zum Himmel emporgehoben“. So beschreibt uns der Evangelist Lukas die Himmelfahrt Jesu Christi.
Mich erinnert diese Beschreibung an ein Ereignis, das sich am 13. Dezember 1641 während der Todesstunde der heiligen Johanna Franziska von Chantal zugetragen hat. Wir wissen davon von einem weiteren Heiligen, dem heiligen Vinzenz von Paul, dem Gründer der Lazaristen und der Vinzentinerinnen. Er war ein sehr bodenständiger Heiliger, der die Realität dieser Welt im Blick hatte, besonders die Armen und die Kranken, denen geholfen werden musste. Himmlische Visionen und Erleuchtungen waren ihm eigentlich fremd. Doch in der Todesstunde der heiligen Johanna Franziska von Chantal hatte er, während er für die Sterbende betete, eine solche Vision. Plötzlich sah er, wie eine leuchtende Kugel von der Erde in den Himmel emporschwebte, eine andere leuchtende Kugel kam vom Himmel herab und nahm sie in Empfang. Beide Leuchtkörper schwebten weiter empor in den Himmel, wo sie von einer noch größeren leuchtenden Kugel aufgenommen wurden.
Nach dieser Vision wusste Vinzenz von Paul, dass Johanna Franziska von Chantal verstorben ist. Er deutete diese Vision folgendermaßen: Die Seele der heiligen Johanna Franziska wird von der Seele des heiligen Franz von Sales abgeholt, und beide Seelen werden von der ewigen Liebe Gottes in Empfang genommen.
Franz von Sales selbst hatte dies Johanna Franziska von Chantal versprochen: Sollte ich vor dir sterben, werde ich dich abholen und in den Himmel begleiten.
Solche Visionen, wie diese Vision des Vinzenz von Paul von den drei Kugeln, oder auch diese Erfahrung der Himmelfahrt Jesu, wie sie uns die Evangelisten berichten, sind natürlich etwas Faszinierendes, so wie alles Übernatürliche oder Unerklärbare fasziniert. Wesentlich dabei ist aber, was solche Schilderungen bewirken, also was wir daraus für unser Leben und unseren Glauben lernen und mitnehmen.
Nach der Himmelfahrt Jesu schreibt Lukas: „Dann kehrten sie in großer Freude nach Jerusalem zurück. Und sie waren immer im Tempel und priesen Gott.“ Für die ersten Christinnen und Christen war also die Himmelfahrt Jesu nach all den dramatischen Ereignissen seines Todes, seiner Auferstehung und der unterschiedlichen Begegnungen mit dem Auferstandenen, die letzte Bestätigung dafür, dass all das, was Jesus Christus gesagt und getan hat, wirklich wahr ist. Die Verheißungen Gottes haben sich erfüllt. Die Himmelfahrt Jesu ist dafür die endgültige Bestätigung. Von nun an ist es ihre Aufgabe, für Jesus Christus die Zeuginnen und Zeugen zu sein.
Und diese Vision beim Sterben der heiligen Johanna Franziska von Chantal kann in uns Ähnliches bewirken: der Tod, der für jede und jeden von uns einmal kommen wird, ist nicht das Ende, sondern die Vollendung … wir werden in den Himmel emporgehoben und von der ewigen Liebe Gottes aufgenommen. Das soll uns Hoffnung schenken, uns die Angst vor dem Sterben nehmen und dankbar machen, und es soll uns dazu anspornen, in großer Freude Gott zu loben und zu preisen.
Die Kirche hat die Echtheit dieser Vision des heiligen Vinzenz von Paul bestätigt – und sie hat auch das vorbildliche Leben Johanna Franziskas bestätigt: durch ihre Seligsprechung 1751 und ihre Heiligsprechung 1767, sowie dadurch, dass sie als Mutter von sechs Kindern zur Schutzpatronin für eine glückliche Geburt erklärt wurde.
Mit den Jüngerinnen und Jüngern Jesu, mit Franz von Sales und Johanna Franziska von Chantal, mit dem heiligen Vinzenz von Paul sind auch wir nach all diesen Ereignissen dazu aufgerufen, durch unser Leben Zeuginnen und Zeugen der Auferstehung zu sein und allen Menschen zu verkünden: Jesus Christus ist nicht tot, er lebt … der Tod hat keine Macht mehr über uns. Wenn wir sterben, dann sind wir eingeladen, wie Johanna Franziska zu Gott zu sagen: „Ja, mein Vater, ich komme!“ Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS