Predigt zum Fest Allerheiligen (Mt 5,1-12a)

Der Himmel ist zu klein

Es ist Zeit für eine kleine Geschichte: Eines Tages klopft es etwas zaghaft an die Bürotür Gottes im Himmel. Herein kommt ein leicht verstörter Apostel Petrus. „Mein Gott“, sagte dieser nach seinem himmelsüblichen Begrüßungszeremoniell. „Mein Gott, wir haben ein Problem!“ „Ja,“ sagte Gott, „sag, welches Problem wir haben.“ Petrus räusperte sich noch einmal und sprach: „Mein Gott, der Himmel ist einfach zu klein. Wir wissen nicht mehr, wo wir all die tausenden und abertausenden Heiligen, die täglich von der Erde zu uns heraufkommen, unterbringen sollen. Babys, Kinder, junge Menschen, alte Menschen, Kriegsopfer, Katastrophenopfer, tausende, tausende, täglich. Wir platzen aus allen Nähten, der Himmel ist zum Bersten überfüllt.“

Gott schaute von seinem Schreibtisch auf und Petrus tief in die Augen. Nach einigen Sekunden des Schweigens meinte er: „Dann verschärfen wir eben die Aufnahmebedingungen. Du musst strenger werden, mein Petrus!“

„Mein Gott, nein“, erwiderte da Petrus bestimmt, „das geht nicht: Dein Sohn persönlich hat die Aufnahmebedingungen festgelegt. Jeder Arme, Traurige, Friedfertige, Ungerecht behandelte, Barmherzige, Beschimpfte und Verfolgte ist selig zu preisen. Sein Lohn im Himmel muss groß sein. Er darf sich freuen und jubeln. So hat es Dein Sohn festgelegt und mit seinem Tod am Kreuz auf ewig besiegelt. Da können wir nichts dagegen machen.“

„Was schlägst Du also vor, was wir machen können?“ ergriff Gott erneut das Wort und er ließ in seiner Stimme eine gewisse Ungeduld erkennen.

Petrus beugte sich etwas näher heran und meinte schließlich mit leiser Stimme: „Wir müssten etwas gegen die Bedingungen auf der Erde tun. Es gibt da unten zu viel Leid und Armut, Ungerechtigkeit, Hunger und Elend, zu viele Katastrophen und alles Mögliche, was es den Leuten einfach zu leicht macht, heilig zu werden.“

Bei diesen Worten hielt es Gott nicht mehr auf seinem Stuhl. Ruckartig erhob er sich, umkreiste seinen Schreibtisch, ging auf Petrus zu und sagte bestimmt: „Petrus, das geht nicht! Bei meiner Schöpfung habe ich den Menschen, weil ich sie liebe, die Freiheit geschenkt und meine Entscheidungen sind ewig. Ich kann das nicht rückgängig machen. Nein, mein Petrus, wir müssen uns da schon etwas anderes einfallen lassen.“

Petrus machte einen ratlosen Eindruck. „Mein Gott“, sagte er, „du bist der Schöpfer, der Allmächtige, der Allweise und Allwissende, der Allgerechte und Allliebende. Ich weiß mir keinen Rat mehr, es ist nun an dir etwas zu tun.“

Lange stand Gott da und überlegte. Plötzlich hob Gott den Kopf und sagte: „Jetzt habe ich die Lösung!“ In den Augen des Petrus leuchtete es erwartungsvoll auf. „Ja, Petrus,“ verkündete Gott feierlich, „vom heutigen Tag an bestimme ich als allmächtiger Schöpfer des Himmels und der Erde, dass sich der Himmel so wie das Universum mit Lichtgeschwindigkeit unendlich ausbreiten soll. Dann haben wir unendlich viel Platz für unendlich viele Heilige. So sei es!“

„Das ist eine gute Entscheidung!“, rief Petrus voller Freude aus. Damit wird auch die Freude und der Jubel im Himmel grenzenlos und unendlich sein. Ich werde Deine Entscheidung sogleich im Himmel und auf Erden allen Wesen guten Willens verkünden!“

Und so geschah es an jenem denkwürdigen Tag. Die Erde dankte es Gott mit einem rauschenden Fest: dem Fest Allerheiligen.

So sieht es im Übrigen auch der heilige Franz von Sales. In einer Predigt zum Allerheiligenfest sagte er:

„Es gibt mehrere Gründe für die Einsetzung des Allerheiligenfestes; ich will mich aber damit begnügen, nur über einen zu sprechen, der grundlegend ist. Es wurde eingeführt, um viele heilige Männer und Frauen zu ehren, die im Himmel sind, deren Namen aber hier auf Erden nicht bekannt sind … Da [die Kirche] aber sieht, welche Freude … im Himmel … herrscht, hat auch sie eine Festfeier mit diesem Ziel eingesetzt; … Das will sie uns am Beginn der Heiligen Messe dieses Tages zu verstehen geben, wenn sie sagt: ‚Freuen wir uns über das Fest aller Heiligen‘, besingen wir ihren Triumph und Sieg, und andere Worte der Freude und des Jubels“ (DASal 9,402-403). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS