Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag (Joh 16,12-15)
Die volle Wahrheit
Fragt man nach einem Konzert oder Fußballspiel die Leute danach, was sie gerade erlebten, dann wird man ganz unterschiedliche Antworten erhalten. Jede und jeder erlebt eben die Wirklichkeit mit seinen oder ihren Augen, die ganze Wahrheit wird immer nur aus einem kleinen, dem persönlichen Blickwinkel aus betrachtet.
So ähnlich ist das auch mit unserem „Gottesbild“. Gott ist so groß, dass kein Mensch diesen Gott in seiner ganzen Fülle begreifen kann. Genau daran erinnert uns das heutige Fest der Dreifaltigkeit Gottes – und daran, was uns Jesus Christus im heutigen Evangelium deutlich machte: Es gäbe über die Wahrheit Gottes noch so vieles zu sagen, aber ihr könnt das jetzt noch nicht begreifen. Der Heilige Geist aber, er wird euch in der ganzen Wahrheit leiten, damit ihr nicht in die Irre geht, sondern auf dem richtigen Weg bleibt und mit eurem Leben von der Herrlichkeit Gottes Zeugnis gebt.
Die heilige Johanna Franziska von Chantal, deren 450. Geburtstag wir in diesem Jahr feiern, ist ein konkretes Beispiel dafür, und zwar bereits als Kind und Jugendliche.
In der Zeit, in der sie lebte, wurde sehr heftig über die Wahrheit des Glaubens gestritten … bis hin zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit viel Leid, Elend und Tod. Da ihr Vater Bürgermeister und Parlamentspräsident war, bekam sie davon eine ganze Menge mit. Immer wieder kamen Gäste in ihr Elternhaus, die den Vater davon überzeugen wollten, dass sein katholischer Glaube der falsche wäre. Als Johanna Franziska einmal von einer solchen Diskussion mitbekam, stellte sie sich vor diesen Gast hin und verteidigte ihren Glauben mit einem für sie als Kind glasklaren und sehr einfachen Argument. Sie sagte nämlich ganz einfach: „Das ist die Wahrheit, weil Jesus es so gesagt hat – und Jesus lügt nicht!“ Und in ihrem heiligen Zorn nahm sie die Süßigkeiten, die der Gast ihr zuvor geschenkt hatte, und warf sie ins Feuer.
Weil Jesus Christus das gesagt hat, daher ist es die Wahrheit, denn Jesus lügt nicht. Dieser eigentlich sehr einfache Grundsatz leitete bei allen Auseinandersetzungen und Diskussionen schließlich auch die Lehrentscheidungen der Kirche. Jesus spricht von einem Gott, der sich als Vater, Sohn und Heiliger Geist offenbart, daher glauben wir an den einen Gott in drei Personen. Jesus hat uns seine Mutter Maria als Fürsprecherin anvertraut, deshalb stellen wir uns unter ihren Schutz. Jesus hat uns gesagt, dass wir die Armen lieben sollen, daher setzen wir uns für die Armen und Schwachen ein. Deshalb bedeutet uns ein Leben in Luxus viel weniger als ein Leben in Einheit, Miteinander und in Frieden. Und weil Jesus die Ehe geheiligt hat, darum lassen wir uns von ihm das Band der Liebe segnen und versuchen durch unsere Liebe den Menschen den Gott der Liebe spürbar zu machen.
Johanna Franziska von Chantal ließ sich von spitzfindigen theologischen oder philosophischen Argumenten nicht durcheinanderbringen. Sie glaubte einfach daran, was Jesus sagte, denn Jesus ist kein Lügner. Selbst dann, wenn sie die eine oder andere Wahrheit nicht verstand oder ihr unlogisch erschien, vertraute sie lieber auf das Wort Jesu, der uns den Heiligen Geist schenkte, damit er uns in der ganzen Wahrheit leite.
Vielleicht können wir uns ja am heutigen Fest der Dreifaltigkeit an Johanna Franziska von Chantal ein Beispiel nehmen und zugeben: Ganz verstehe ich diese Dreifaltigkeit nicht, irgendwie klingt diese Wesensbeschreibung Gottes unlogisch, aber trotzdem glaube ich daran, weil uns Jesus den einen Gott als Vater, als Sohn und als Heiliger Geist beschrieben hat. Und Jesus lügt nicht. Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS