Predigt zum Diamantenen Priesterjubiläum P. Johannes Föhn OSFS

Ein großes Geschenk an dich und die Menschen

Lesungen vom 17. Sonntag im Jahreskreis (Gen 18,20-32; Kol 2,12-14; Lk 11,1-13)

Lieber P. Johannes, auch wenn du heute bereits dein Diamantenes Priesterjubiläum feierst, so bist du gegenüber dem mit Gott um die Rettung von Sodom und Gomorra verhandelnden Abraham eigentlich noch relativ jung. Abraham war damals mindestens 99, so berichtet das Buch Genesis. ABER: Während du bereits mit 26 Jahren als blutjunger und voll Tatendrang strotzender Oblate des hl. Franz von Sales das Sakrament der Priesterweihe empfangen hast, war Abraham hingegen ein richtiger Spätberuf. Er wurde von Gott mit 75 berufen, sein altes Leben aufzugeben, aufzubrechen und der Verheißung Gottes zu folgen – Stammvater des Volkes Israel zu werden. Schließlich wurde Abraham 175 Jahre alt. (Wie immer man das auch interpretieren mag.)

Aber nehmen wir diese Zahlen einmal als gegeben an, so heißt das: Abraham wurden vom Tag seiner Berufung an zu seinen 75 Jahren noch weitere 100 Jahre geschenkt, seiner Berufung nachzufolgen. Du, Johannes, bist heute grad einmal um 11 Jahre älter als Abraham, als er von Gott berufen wurde, bist aber schon 60 Jahre Priester. Schließlich begann deine Berufung mit dem Entschluss, Ordenspriester zu werden, noch weitere 6 Jahre früher. Im Hinblick auf diese bemerkenswerte Berufungsgeschichte Abrahams, die wie deine reich an Jahren ist, möchte ich dich ermuntern und bestärken, deine Berufung zum Ordenspriester weiterhin als großes Geschenk an dich aber vor allem an die Menschen, denen du als Priester dienst/dientest zu betrachten.

Verzeih bitte diesen kleinen biblischen Vergleich mit Abraham, aber ich glaube, letztendlich war Abraham sehr glücklich, dass Gott ihn nicht in Pension geschickt hat, sondern trotz seines hohen Alters zu solch großen Zielen berufen hat. Und ich nehme an, er wäre nicht aufgebrochen, hätte er nicht noch etwas Unerfülltes in seinem Leben gespürt, einen Hunger gespürt, der ihm genug Kraft gegeben hat, sich auf Gottes Wort einzulassen. Für Abraham war es wohl primär sein unerfüllter Kinderwunsch, der ihn auf Gottes Wort hin hat aufhorchen lassen, und dennoch hat er Gott weit über die Erfüllung dieser Sehnsucht nach Nachkommenschaft hinaus als den erfahren, der sein Leben unheimlich spannend machte, dynamisch und fruchtbar. Nicht ohne Grund fasst Abraham in dieser gehörten Erzählung den Mut, vor Gott als Anwalt der Gerechten von Sodom und Gomorra aufzutreten und mit Gott um deren Leben zu ringen. Auch wenn Abraham kein Priester war, aber es war ein priesterlicher Dienst, sich für das Leben der ungerecht Behandelten und Verurteilen einzusetzen.

Denn Priester ist man niemals für sich selbst, sondern immer NUR für Menschen, gerade für die Menschen, die auf dieser Welt mit ihren Gesetzmäßigkeiten hilflos sind, des Schutzes ihrer Würde bedürfen und Fürsprecher gegen die Ungerechtigkeit und Lieblosigkeit brauchen.

Und wie es diese Geschichte von Abraham zeigt, Gott ist beeindruckt von solchen Menschen, die sich berufen fühlen, sich für Friede und Gerechtigkeit einzusetzen. Berufung zu einem Gott hingegebenen und gehorsamen Leben ist offensichtlich nicht vom Alter abhängig. Sie ist vielmehr ein Zusammenspiel von den persönlichen Charismen und Fähigkeiten und von der Betroffenheit, die jemand spürt, wenn er die Welt und die Menschen betrachtet, wie sie sich wegen Macht und Geld, wegen ihrer Unersättlichkeit und ihres Neides das Leben nur gegenseitig schwermachen und einer auf Kosten des anderen leben möchte. Es ist das Evangelium – die Botschaft Jesu – die genau das Gegenteil von diesem Wahnsinn als gangbaren Weg aufzeigt, die man durchaus auch als verrückt bezeichnen kann, aber mit einer anderen Konsequenz. Es ist die Konsequenz, die Jesus mit dem Begriff des „Reiches Gottes“ beschreibt. Und diese Konsequenz nennt Jesus, als ihn die Jünger bitten: Lehre uns beten. Nicht ohne Grund ist dieses Gebet Jesu das zentrale Gebet unseres Christseins geworden: Vater, dein Name werde geheiligt. Dein Reich komme. Gib uns täglich das Brot, das wir brauchen. Und erlass uns unsere Sünden, denn auch wir erlassen jedem, was er uns schuldig ist. Und führe uns nicht in Versuchung.

Das ist zusammengefasst die Aufgabe und die Sendung des Priestertums – vom gemeinsamen wie vom geweihten, das macht keinen Unterschied. Und das galt vor 60 Jahren genauso wie es heute nicht um eine Haaresbreite weniger gilt. Natürlich könnte man sagen, das ist Illusion, Phantasterei. So kann niemand leben außer ein Träumer, ein Idealist, ein Realitätsverweigerer. An deinem Beispiel, lieber Johannes … am Beispiel deiner 60 Priesterjahre kann man genau das Gegenteil eines Träumers und eines Realitätsverweigerers sehen. Denn wo immer du hingestellt warst, hast du deine Kräfte eingesetzt, damit das Reich Gottes komme. Ob mit dem Werkzeug in der Hand, am Schreibtisch oder am Fahrrad (Auto), als „Hausvater“ oder als Missionsprokurator, als Liturge und Prediger, als Aushilfspriester in Stadt und Land, vor allem hier in Luzern in St. Paul und in der Franziskanerkirche. Wer mit dir persönlich zu tun hat, kennt deine Bescheidenheit, deine Großzügigkeit und deine Treue. Alles aus Liebe, nichts aus Zwang … sagt unser Franz von Sales, und das hat dich offensichtlich überzeugt und dein ganzes Leben sehr geprägt.

Jesus fordert uns heute im Evangelium auf: Bittet, dann wird euch gegeben, sucht, dann werdet ihr finden, klopft an, dann wird euch geöffnet. Für einen Priester – und vor allem für einen salesianischen Priester – gehören diese Imperative Jesu zu seiner Identität. Wenn ein Priester kein Ohr und kein Herz hat für die Bitten der Menschen, dann hat er seine Berufung wohl verfehlt. Er muss Vertrauen wecken bei den Menschen, er muss über das gängige Maß der Höflichkeit und des guten Tones hinaus ein Zeichen für Gottes Angebot sein, ein Zeichen für die Einladung Gottes an die Menschen: vertraut und bittet, betet und glaubt an das, was ihr betet! Denn Gott will den Menschen zu Herzen reden, ihn im Herzen berühren, denn „wer das Herz des Menschen gewonnen hat, der hat den ganzen Menschen gewonnen,“ wie es unser Franz von Sales sagt.

Lieber Johannes, nicht nur, weil du aus dem Muotathal kommst, sondern auch wegen deines Humors und deiner vielen einzigartigen Charaktereigenschaften kann man dich durchaus als ein Schweizer Original bezeichnen. Die Hintergründigkeit in deinen Gedanken und Aussagen, dein verschmitzter Humor … nicht zuletzt deine ungebrochene Freude am Chauffieren (nicht nur von P. Huber!) machen dich einmalig und authentisch. Als Sales-Oblate sollen wir ja auch nicht irgendwelche Kopien anderer Menschen sein, sondern das ganz sein, was wir sind. Wofür du heute danken kannst und wir dir heute danken wollen, ist das anhaltende Brennen in deinem Herzen für den priesterlichen Dienst. Danken möchte ich dir im Namen unserer Mitbrüder, dass du als Priester unserer Ordensgemeinschaft jetzt schon 60 Jahre wirkst. Ich kann dir (als dein derzeitiger Oberer) aber versprechen: Abraham ist zwar ein Anreiz, aber nach 60 Jahren darfst du dich auch zurücklehnen, du darfst auch deine liturgischen Aktivitäten durchaus gemäß deinen Kräften einschränken ohne dabei ein schlechtes Gefühl zu haben. Halte dich an das Evangelium: Niemand wird dir sagen: Lass mich in Ruhe, die Tür ist schon verschlossen… sondern wenn du klopfst, wird dir aufgetan, wenn du bittest, wirst du erhalten und wenn du suchst, wirst du finden … weil du dein Leben lang an dieses Wort Jesu geglaubt hast und ihm gedient hast. Amen.

P. Provinzial Thomas Vanek OSFS