Predigt zum Christkönigssonntag (Lk 23,35b-43)

Erinnerung an Gottes Erbarmen

die Tendenz ist deutlich: das Kreuz soll aus der Öffentlichkeit verschwinden. Damit verlieren wir aber auch ein Erinnerungszeichen für etwas sehr Wichtiges und Wesentliches, nämlich die Erinnerung daran, an welchen Gott wir glauben, an Gottes Liebe, sein Erbarmen und seine Barmherzigkeit.

Deutlich wird das am heutigen Christkönigssonntag, an dem wir am Ende des Kirchenjahres noch einmal die Größe und Herrlichkeit Gottes loben und preisen wollen, vor allem durch das Evangelium und die Schilderung der Kreuzigung durch den Evangelisten Lukas.

Dreimal wird da Jesus Christus am Kreuz verspottet und mit Verachtung geschmäht.

Das erste Mal durch die „führenden Männer des Volkes“. Soll er sich doch selbst retten, wenn er der Erwählte Christus Gottes ist. Also: Die Elite, von Jesus oftmals heftig kritisiert, schlägt zurück. Jetzt – endlich – haben wir dich in die Schranken gewiesen. Jetzt siehst du: Wir sind stärker als du.

Als Zweites kommen die Soldaten. Sie quälen den halb tot Geschlagenen mit Essig und spotten über den selbsternannten König, der sich offenbar anmaßte, stärker zu sein als die militärische Macht des Römischen Reiches. „Rette dich selbst – du König der Juden.“ Jetzt weißt du es: Niemand ist stärker als der römische Kaiser.

Und schließlich als dritter, der Schwerverbrecher neben ihm: „Wenn du der Christus bist, dann rette dich und uns.“ Wer behauptet, Christus zu sein, also der langerwartete Messias, der Retter der ganzen Welt, der muss das auch beweisen können. Kann er das nicht, ist er ein Scharlatan, also nichts anderes als ein Hetzer und Aufrührer und somit ein Schwerverbrecher wie jeder andere Schwerverbrecher auch, der die gerechte Strafe verdient hat.

Also: Dreimal wird uns deutlich vor Augen geführt, dass vom messianischen Glanz nichts übrig geblieben ist – Jesus ist auf der ganzen Linie gescheitert. Die anderen haben gewonnen. Da hängt er, der große König – eine lächerliche Figur, festgenagelt, schmerzverzerrt, hilflos.

Was tut Jesus? Er spricht in dieser absurden aussichtslosen Situation einem Verbrecher Mut zu: Hab keine Angst, ich denk an dich. „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

Genau das ist unser Gott, an den wir glauben, das ist die Botschaft des Christkönigssonntags, die Botschaft, die uns ein jedes Kreuz, das wir betrachten, mitteilt. Wir glauben nicht an einen Gott der Rache, sondern an den Gott der Liebe, der selbst dann, wenn er ausgelacht, verspottet und verhöhnt wird, zu uns sagt: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein.“

„Der sicherste Weg zur Frömmigkeit“, so meint daher der heilige Franz von Sales, „ist zu Füßen des Kreuzes“ (DASal 6,102), denn dort sehen wir den, der für uns „sein Leben hingegeben und den Tod auf sich genommen hat“ (DASal 6,304).

In der Betrachtung des Gekreuzigten können wir erkennen, dass es trotz aller Aussichtslosigkeit und Ausweglosigkeit trotzdem Hoffnung auf Erlösung gibt.

Wir erkennen, dass Macht etwas völlig anderes bedeutet als wir Menschen meinen. Macht bedeutet nicht Rache oder Stärkezeigen oder Siegersein, sondern Hingabe bis zum Letzten.

Und wir erkennen, dass unser Gott, an den wir glauben, selbst im Angesicht größter Ungerechtigkeit und Verachtung immer noch bereit ist, Barmherzigkeit zu üben und Erbarmen zu schenken.

All diese Hinweise verlieren wir, wenn wir damit aufhören, das Zeichen des Kreuzes als Mahnung an die Welt leuchten zu lassen.

Und so empfiehlt uns der heilige Franz von Sales Folgendes:

„Schließlich soll es mein eifriges Bestreben sein, das Kreuz zu errichten in meinem Herzen, in meinem Verstand, in meinen Augen und Ohren, in meinem Mund, in allen meinen inneren und äußeren Sinnen … Ich will das Kreuzzeichen in Ehrfurcht machen und mit ihm mein Herz bezeichnen beim Erwachen und vor dem Einschlafen. Wenn ich im heiligen Kreuz meine Stütze suche in den Ängsten dieses Lebens, hoffe ich in ihm meine ewige Freude zu finden. Denn wenn ich den gekreuzigten Jesus Christus in dieser Welt liebe, werde ich meine Freude in der anderen im verherrlichten Jesus finden. Ihm sei Ehre und Verherrlichung von Ewigkeit zu Ewigkeit. So sei es“ (DASal 9,203). Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS