Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,20-26)

Eins sein

Alle sollen eins sein … nicht nur diese hier, sondern alle, die an mich glauben … eins sein sollen sie, so wie Gott Vater und Gott Sohn eins sind.

Deutlicher kann uns Jesus Christus eigentlich gar nicht vermitteln, wie sehr ihm gerade die Einheit seiner Jüngerinnen und Jünger am Herzen liegt.

Wir alle sollen so in der Einheit vollendet sein, damit die Welt erkennt, dass Jesus Christus von Gott gesandt ist und diese Welt ebenso liebt wie seinen Sohn.

Ein Blick in die Welt von heute macht uns deutlich, dass das Anliegen Jesu nicht aktueller sein kann. Ja, man könnte sogar sagen, dass kaum ein Wunsch Jesu weniger erfüllt wurde als dieser. Die Welt ist zerstritten. Man bekriegt sich gegenseitig auf allen Ebenen: unter Nationen, Religionen, in den Parteien, in der Wirtschaft, auf dem Arbeitsmarkt, in den Schulen, in den Familien, ja selbst unter den Christen, in der Kirche, in den Pfarrgemeinden.

Heute, am achten Mai, denken wir an das Ende des Zweiten Weltkrieges … „Nie wieder Krieg“ lautete damals der Jubel der Menschheit – und was ist daraus geworden?

Heute ist auch Muttertag … wir bedanken uns bei den Müttern, dass sie uns das Leben schenkten und uns in das Leben hinein begleiteten. Trotzdem wird fast jede dritte Ehe geschieden, gibt es die sogenannte „häusliche Gewalt“ und ist die Zahl der Gewaltverbrechen im engsten Familienkreis hoch.

Es scheint also immer noch zu stimmen, was Jesus im heutigen Evangelium auch sagte: „Die Welt hat dich nicht erkannt“ – Die Welt hat immer noch nicht begriffen, worum es eigentlich und vor allem geht: um die Einheit, das Miteinander, das Zusammenhalten und Füreinander da sein, damit die Liebe, mit der Gott uns liebt, ausstrahlt auf die ganze Welt.

Was können wir tun? Der heilige Franz von Sales lebte in einer heftig zerstrittenen Zeit. Damals, vor vierhundert Jahren, war es die Zeit der Religionskriege. Die Reformation hat Europa gespalten – Katholiken und Protestanten schlachteten sich in der Folge gegenseitig ab. Der Herrscher gab den Glauben vor, wer sich nicht daran halten wollte, wurde aus dem Land verjagt oder hingerichtet. Bedenkt man dieses geschichtliche Umfeld der Gewalt, so wird noch besser verständlich, warum gerade dieser Bischof von Genf, der im Exil in Annecy leben musste, weil ihm in seiner eigenen Bischofsstadt die Todesstrafe drohte, warum gerade dieser Franz von Sales so große Verehrung erfuhr: er lebte nämlich inmitten von Hass und Streit die Gegenkultur der Sanftmut, Güte und Herzlichkeit. Nicht mit den Waffen der Gewalt soll der Gegner erobert werden, sondern mit den Waffen des Gebetes und der Liebe, so lautete seine Devise. Franz von Sales lebte damals genau das, was Papst Franziskus heute die „Kultur der Begegnung“ nennt, das barmherzige Zugehen auf den anderen, weil auch wir von Gott trotz unserer Fehler und Schwächen Barmherzigkeit erfahren. Wenn wir das tun, so Papst Franziskus, dann folgt daraus das, was er „Revolution der Zärtlichkeit“ nennt. Die Welt wird erkennen, dass Gott die Menschen liebt und dass in der Liebe allein die Lösung aller Probleme zu finden ist.

Franz von Sales verwendet für diese „Revolution der Zärtlichkeit“ und diese „Kultur der Begegnung“ sprechende Bilder: nichts zähmt einen wildgewordenen Elefanten schneller, als der Anblick eines Lammes … nichts bremst die Wucht eines Geschoßes effektiver als Watte. Mit einem Löffel Honig fängt man mehr Fliegen als mit einem Fass voller Essig.

In einer Woche feiern wir das Pfingstfest – die Ausgießung des Heiligen Geistes in unsere Welt. Er ist das Mittel, das Gott den Menschen anbietet, um glücklich zu werden. Bitten wir den Heiligen Geist, damit er uns – in unserem Land, in unserer Stadt, in unserer Diözese, in unserer Pfarrgemeinde, in unseren Familien hilft, die „Kultur der Begegnung“ zu leben, die „Revolution der Zärtlichkeit“, die Liebe, Sanftmut und Güte des heiligen Franz von Sales, damit der Wunsch Jesu wenigstens durch uns und wenigstens in unserer Umgebung, dort wo wir leben, arbeiten und zuhause sind, in Erfüllung geht: eins zu sein, wie Gott eins ist, damit die Welt erkennt, dass Gott uns liebt. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS