Predigt zum 7. Sonntag der Osterzeit (Joh 17,1-11a)

Geist der Freiheit

Bei dieser Stelle aus dem Johannesevangelium, die wir gerade gehört haben, erleben wir, wie Jesus gebetet hat. Er hebt die Augen zum Himmel und wendet sich an seinen Vater. Und dann betet er für seine Jüngerinnen und Jünger, die sein Wort angenommen haben. „Für sie bitte ich“, sagt Jesus: „denn sie gehören dir. Alles, was mein ist, ist dein, und was dein ist, ist mein. In ihnen bin ich verherrlicht.“

Bei diesem Gebet sind nicht nur die Jüngerinnen und Jünger Jesu damals vor 2000 Jahren gemeint, sondern alle Menschen, die bis zur Wiederkunft Jesu seine Botschaft, seine Worte annehmen und durch ihr Leben verkünden. Mit anderen Worten: Jesus betet hier für uns. Das ist eigentlich ein wunderbarer Gedanke und ein wunderschönes Gefühl: wir alle sind hineingenommen in die Gebete Jesu. Er bittet für uns beim Vater im Himmel.

Wir stimmen uns mit dem heutigen Sonntag auch schon auf das kommende Pfingstfest ein, also auf den Heiligen Geist, durch den Jesus Christus sein Versprechen einlöst, dass er uns nicht als Waisen zurücklässt, sondern unser Leben begleitet. Das Pfingstfest ist also die Erfüllung der Gebete und Bitten Jesu für uns. Im Heiligen Geist wird all das Wirklichkeit, wofür Jesus Christus gebetet hat. Der Heilige Geist ist die wirksame und spürbare Liebe Gottes in unserer Welt. Er ist Tröster, Kraft und Stärke, der Ratgeber und Begleiter, unsere Kreativität und Fantasie, unsere Energie und unsere Verbindung zur Herrlichkeit Gottes. Die Bilder, die wir für ihn haben, bringen das symbolisch, verständlich und wirkungsvoll zum Ausdruck: Sturm, Feuer, Taube, Wehen, Atem … Der heilige Franz von Sales empfiehlt uns, bei allem was wir tun, und so oft wie möglich, uns die Gegenwart Gottes, in der wir leben, bewusst zu machen. Das ist nichts anderes als der Hinweis auf den Heiligen Geist, der da ist, wie die Luft, die wir atmen, wie das Licht, das den Raum erhellt, der Herzschlag, der unseren Körper mit Blut und Sauerstoff versorgt … all das geschieht wie selbstverständlich, beinahe unsichtbar, bewusst wird es uns erst, wenn wir es uns bewusst machen.

Vom heiligen Franz von Sales gibt es auch das berühmte Wort: „Die Freiheit ist der kostbarste Teil des Menschen, das Leben unseres Herzens.“ (DASal 9,362) Hintergrund dieser Aussage ist, dass Franz von Sales voll und ganz davon überzeugt war, dass Gott den Menschen zu nichts zwingt. „Gott zieht uns nicht an sich wie Stiere und Büffel“, schreibt er einmal, „Gott wirbt um uns, er lockt uns liebevoll durch zarte und heilige Einsprechungen“ (DASal 3,129). Genau dieses Werben, diese liebevollen Lockungen, geschehen durch das Wirken des Heiligen Geistes und es liegt an uns und unserer Freiheit, diese Lockungen Gottes anzunehmen, zu Gott und seiner Botschaft Ja zu sagen und ihm zu folgen.

Die Woche vor Pfingsten wäre tatsächlich eine gute Gelegenheit, sich nicht nur die Wirkungen des Heiligen Geistes unter uns bewusst zu machen, sondern auch dankbar und in aller Freiheit unser Ja für Jesus Christus und seine Botschaft zu erneuern.

Bedenken wir, was der heilige Franz von Sales über das Wirken des Heiligen Geistes sagt: „Eine Quelle mag noch so stark fließen, sie kann einen Garten doch nur entsprechend dem Durchmesser der Leitungen, die ihm das Wasser zuführen, begießen. So umflutet auch der Heilige Geist, gleich einer Quelle lebendigen Wassers unser Herz, um in uns seine Gnade zu ergießen; er will aber, dass sie nur mit der freiwilligen Zustimmung unseres Willens einströme.“ (DASal 3,126)

Machen wir also unser Herz weit für das Wirken des Heiligen Geistes, soweit wie wir nur können. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS