Predigt zum 6. Sonntag im Jahreskreis (Mt 5,20-22a.27.28.33-34a.37)
Ihr habt gehört – ich aber sage euch
Ihr habt gehört – ich aber sage euch … das klingt ja fast so wie die präsidentiellen Entscheidungen eines Donald Trump, die mittlerweile fast täglich die Menschen auf die Barrikaden bringen.
Da ist ein Hardliner, ein Scharfmacher, ein autoritärer Fundamentalist, der die traditionellen Gesetze und Ordnungen nicht akzeptiert, sondern nach eigenem Gutdünken auslegt und verschärft … ihr habt gehört – ich aber sage euch.
Wer Jesus so interpretiert, der hat ihn natürlich ordentlich missverstanden, und nicht nur Jesus, sondern alle Gebote, Gesetze und Vorschriften, die in der Bibel zu finden sind.
Der heilige Franz von Sales beschäftigt sich in seinem theologischen Hauptwerk – der Abhandlung über die Gottesliebe – in einem Abschnitt mit der Frage, warum Gott eigentlich für die Menschen Gebote erlassen hat. Warum erlaubt er uns nicht nur, ihn zu lieben, warum gebietet er es uns. Warum macht er Gottesliebe, Nächstenliebe und Selbstliebe zu einem Gebot, ja zum Hauptgebot? Seine Antwort: Nicht um uns zu unterdrücken, einzuschränken, natürlich auch nicht, um allen Menschen deutlich zu machen, wer hier das Sagen hat, sondern allein deshalb, weil Gott möchte, dass wir Menschen glücklich werden – biblisch gesagt: dass wir das Leben haben und es in Fülle haben.
Das haben wir mittlerweile völlig in den Hintergrund gedrängt: Glücklich wird der Mensch nur, wenn er an Gott glaubt und sich ganz seinem Willen überlässt, wie wir es im Vater unser beten: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“.
Und genau so, meine ich, sollten wir auch das heutige Evangelium lesen:
Ich aber sage euch: wenn ihr wirklich glücklich sein wollt, dann hört auf damit, die anderen zu kritisieren, zu beschimpfen, ihnen zu zürnen oder sie sogar zu verfluchen. Diese Methode macht euch nicht glücklich. Eine für mich interessante Erfahrung ist, wenn ich heute Kinder frage, was „segnen“ bedeutet, dann wissen sie keine Antwort, wenn ich sie frage, was „fluchen“ bedeutet, dann wissen sie es sehr wohl … Fluchen macht aber nicht glücklich, nur Segnen.
Oder: Ich aber sage euch: Hört auf damit, ständig Männern und Frauen lüsternd nachzuschauen. Das macht nicht glücklich. Ihr werdet nur ständig frustriert, weil ihr glaubt, dass das, was ihr nicht habt, besser, schöner, wertvoller ist. Das ist Unfug – Zufriedenheit und Dankbarkeit machen glücklich, nicht der ständige Blick auf die Früchte, die zu hoch hängen.
Und schließlich: Ich aber sage euch: Hört endlich auf damit, euch die Wahrheit so hinzubiegen, wie sie euch gerade passt. Meineid, Verleumdung, Rufmord, Vorurteile … all das gehört mittlerweile zum politischen und gesellschaftlichen Tagesgeschäft – aber das macht nicht glücklich. Glücklich macht Ehrlichkeit, Authentizität und Geradlinigkeit. Euer Ja sei ein Ja, euer Nein ein Nein – alles andere stammt vom Bösen.
Wenn Gott den Menschen etwas vorschreibt, dann deshalb, damit der Mensch glücklich wird.
Wenn jetzt jemand meint, dass das alles ja schön und gut ist, aber viel zu schwierig, dann empfehle ich die Methode des heiligen Franz von Sales. Es geht nicht darum, dass wir morgen perfekt und vollkommen sind, sondern dass wir jeden Tag neu beginnen, glücklich zu werden. Oder wie er wörtlich sagt: „Denken wir nur daran, das Heute gut zu machen“ (DASal 6,41). Amen.
P. Herbert Winklehner OSFS