Predigt zum 6. Sonntag der Osterzeit (Joh 14,15-21)

Liebe ist Freundschaft mit Gott

„Liebe ist Freundschaft mit Gott“ (DASal 3,158) … das heutige Evangelium macht uns diese Aussage des heiligen Franz von Sales auf besondere Weise deutlich.

Es ist eine Stelle aus der Abschiedsrede Jesu an seine Jünger beim letzten Abendmahl. Er weiß um seinen Kreuzweg, sein Sterben, seinen Tod, seine Auferstehung … und er macht seinen Jüngern Mut: Ich lasse euch nicht allein, ich lasse euch nicht als Waisen zurück, sondern ich werde Gott bitten, dass er euch einen Beistand gibt, der für immer bei euch bleiben soll. Und dieser Beistand ist der Heilige Geist, der Geist der Wahrheit. Durch ihn werdet ihr erkennen, dass der Vater und ich eins sind. Und dieses Einssein mit Gott gilt für jeden, der Christus folgt: Ich bin in meinem Vater, so sagt Jesus, ihr seid in mir und ich bin in euch. Wer mich liebt, wird von meinem Vater geliebt und auch ich werde ihn lieben.

Für den heiligen Franz von Sales ist der Heilige Geist die spürbare Liebe Gottes in der Welt und damit der Beweis für diese von Jesus versprochene dauernde, stets gegenwärtige Liebe Gottes unter uns.

Es empfiehlt sich, darüber immer wieder einmal nachzudenken:

Gott liebt uns so sehr, dass er bereit war, seinen eigenen Sohn hinzugeben, damit wir erlöst sind. Es gibt keine größere Liebe, so sagt Jesus, wenn einer sein Leben gibt für seine Freunde. Ihr seid meine Freunde. Und die Liebe Gottes ist so groß und überreich, dass sie durch das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Welt stets lebendig und spürbar ist.

Franz von Sales hat darüber genau nachgedacht und gesagt:

„Von Ewigkeit her liebte Gott jede Seele, die ihn je liebte, gegenwärtig liebt oder einmal lieben wird (1 Joh 4,10) … [Gott] hört nie auf, uns Gutes zu tun, und gibt uns zahllose Beweise seiner innigsten Zuneigung, indem er uns seine Geheimnisse wie vertrauten Freunden offenbart (Joh 15,15)…. Schließlich treibt er seine heiligen liebevollen Beziehungen zu uns auf die Spitze, indem er sich uns als Speise im hochheiligsten Altarssakrament schenkt. Wir aber besprechen uns mit ihm jederzeit, so oft wir wollen, im heiligen Gebet …. Diese Freundschaft mit Gott ist mehr als eine einfache Freundschaft, es ist eine Freundschaft auserlesener Art,… Daraus folgt, … dass weder Menschen noch Engel diese wahre Liebe zu Gott aus sich hervorzubringen vermögen, sondern dass allein der Heilige Geist sie verleiht, indem er sie in unsere Herzen ergießt (Röm 5,5)… Wir sprechen deshalb von einer übernatürlichen Freundschaft der Seele mit Gott, weil sie sich auf Gott bezieht und ihn zum Ziel hat.“ (DASal 3,158-159)

Ich glaube, jedem Menschen ist der hohe Wert echter und wahrer Freundschaft bewusst. Ist uns aber auch klar, dass eine solche Freundschaft auch zwischen mir und Gott besteht? Unser Kirchenlehrer Franz von Sales war jedenfalls voll davon überzeugt: Gottesbeziehung ist keine Beziehung wie zwischen Herr und Diener, König und Untergebener, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, es ist eine Beziehung zwischen Freunden. Gottesbeziehung ist auch keine Kopfsache, keine theoretische Forschungsarbeit logischen Denkens, es ist eine Herzensangelegenheit. Es geht um Freundschaft, um Liebe, um Einssein, um Zeithaben, um füreinander dasein, miteinander unterwegs sein.

Solche Aussagen, die Jesus im heutigen Evangelium seinen Jüngern mitteilte, haben Franz von Sales zu diesen Deutungen über die Gottesbeziehung geführt. Wir tun gut daran, uns dieses göttliche Geschenk wirklich in uns aufzunehmen und wachsen zu lassen: Gott schenkt uns seine Freundschaft. Amen.

P. Herbert Winklehner OSFS